Kein böser Traum
angehalten?«
»Nein.«
»Die Fotos waren also die ganze Zeit über in Ihrem Besitz?«
Grace musste unwillkürlich lächeln. »Sie klingen wie beim Check-in am Flughafen.«
»Dort löchern Sie einen schon lange nicht mehr mit Fragen.«
»Mein letzter Flug ist auch schon eine ganze Weile her.« Sie lächelte dümmlich und merkte, weshalb sie plötzlich ziellos abgeschweift war. Duncan schien denselben Gedanken zu haben. Ihr war etwas eingefallen – etwas, das sie nicht weiter vertiefen wollte.
»Was?«, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf.
»Mag sein, dass ich nicht bemerkt habe, dass Josh uns was verschweigt. Sie machen es mir leichter. Also was gibt’s?«
»Nichts.«
»Ach kommen Sie schon, Grace.«
»Die Fotos sind die ganze Zeit bei mir gewesen.«
»Aber?«
»Das ist doch Zeitverschwendung. Ich weiß, dass Josh es gewesen ist. Es gibt keine andere Möglichkeit.«
»Aber?«
Sie holte tief Luft. »Ich sage das jetzt nur einmal. Und damit ist das Thema für mich erledigt. Okay?«
Duncan nickte.
»Es gab eine Person, die könnte – ich betone könnte – an die Fotos herangekommen sein.«
»Wer?«
»Ich habe im Wagen gesessen und auf Max gewartet. Dabei habe ich den Umschlag geöffnet und mir die ersten Fotos angesehen. Dann kam meine Freundin Cora.«
»Ist sie zu Ihnen in den Wagen gestiegen?«
»Ja.«
»Wo saß sie?«
»Auf dem Beifahrersitz.«
»Und die Fotos lagen auf der Konsole neben ihr?«
»Nein. Nicht mehr.« Ihre Stimme klang ganz kratzbürstig, so gereizt war sie. Die Wendung, die die Geschichte genommen hatte, passte ihr nicht. »Habe ich doch gerade gesagt. Ich war dabei, mir die Bilder anzusehen.«
»Aber Sie haben den Umschlag wieder beiseite gelegt?«
»Irgendwann, ja. Schätze schon.«
»Auf die Konsole?«
»Nehme ich an. Ich kann mich nicht erinnern.«
»Also hätte Ihre Freundin etwas damit anstellen können.«
»Nein. Ich bin die ganze Zeit über dabei gewesen.«
»Wer ist zuerst ausgestiegen?«
»Ich glaube, wir sind beide gleichzeitig ausgestiegen.«
»Sie haben eine leichte Gehbehinderung.«
Sie sah ihn an. »Na und?«
»Das Aussteigen muss für Sie doch umständlich sein.«
»Ich schaffe es ganz gut.«
»Ich bitte Sie, Grace. Helfen Sie mir. Es ist doch möglich – ich sage nicht wahrscheinlich –, dass Ihre Freundin das Foto in den Umschlag geschmuggelt hat, während Sie mit Aussteigen beschäftigt waren.«
»Möglich, sicher. Aber sie hat es nicht getan.«
»Auf keinen Fall?«
»Auf keinen Fall.«
»Sie vertrauen ihr so bedingungslos?«
»Ja. Aber selbst wenn nicht, ich meine, denken Sie doch mal nach. Was unterstellen Sie ihr? Dass sie das Foto in der Hoffnung mit sich herumgeschleppt hat, dass ich einen Umschlag mit Abzügen in meinem Wagen habe?«
»Nicht unbedingt. Vielleicht wollte sie es ursprünglich unbemerkt in Ihre Handtasche stecken. Oder ins Handschuhfach. Oder unter den Sitz. Keine Ahnung. Dann hat sie aber den Umschlag mit den Fotos gesehen und …«
»Nein.« Grace hob die Hand. »So kommen wir nicht weiter. Es war nicht Cora. Reine Zeitverschwendung.«
»Wie heißt Cora mit Nachnamen?«
»Das tut nichts zur Sache.«
»Sagen Sie’s mir, und es ist erledigt.«
»Lindley. Cora Lindley.«
»Okay«, sagte er. »Belassen wir’s dabei.« Trotzdem notierte er sich etwas auf einen kleinen Zettel.
»Und jetzt?«, fragte Grace.
Duncan sah auf die Uhr. »Ich muss wieder ins Büro.«
»Und was soll ich tun?«
»Durchsuchen Sie Ihr Haus. Für den Fall, dass Ihr Mann dort etwas versteckt hat … vielleicht haben Sie ja Glück.«
»Sie meinen, ich soll in den Sachen meines Mannes herumwühlen?«
»Klopfen Sie auf den Busch, Grace.« Er wandte sich zum Gehen. »Bleiben Sie am Ball. Ich melde mich bald wieder. Versprochen.«
29
Das Leben ging weiter.
Grace musste Lebensmittel einkaufen. Unter den gegebenen Umständen mochte das vielleicht seltsam klingen. Vor allem da ihre beiden Kinder auch mit einer eintönigen Diät vom Pizzadienst frohgemut überleben würden. Dennoch brauchten sie einige Grundnahrungsmittel wie Milch, Orangensaft (die Marke mit Kalziumzusatz und niemals das Fruchtkonzentrat), Eier, Brotaufstrich, Frühstücksflocken, Brot, Pasta, Spaghettisauce. Möglich, dass das Einkaufen sich auch als Balsam für die Seele erwies. War es doch ein Stück Normalität, die, wenn auch keine tröstliche, so doch im Ansatz wenigstens eine therapeutische Wirkung haben konnte.
Grace hielt vor dem King’s Supermarkt am
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