Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein böser Traum

Kein böser Traum

Titel: Kein böser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
Vom Netzwerk:
im Vorübergehen. Ihre Hand glitt in ihre Handtasche, tastete nach dem Handy.
    Ruhig bleiben, ermahnte sie sich. Ruf in der Schule an.
    Grace versuchte schneller zu gehen, doch ihr Bein war plötzlich schwer wie Blei. Je mehr sie sich beeilte, desto heftiger zog sie ihr Bein nach. Als sie schließlich zu rennen versuchte, kam sie sich vor wie Quasimodo auf den Stufen des Glockenturms. Wie sie dabei aussah, spielte in diesem Moment natürlich keine Rolle. Sie musste nur funktionieren. Doch genau darin bestand das Problem. Sie war nicht schnell genug.
    Mrs. Lamb. Zimmer 17 …
    Wenn er meinem Baby etwas angetan hat, wenn er sie auch nur schräg angesehen hat …
    Grace hatte den letzten Gang erreicht, den Gang mit den Kühlregalen für Milch und Eier, den Gang, der zu weit vom Eingang entfernt lag, um zu spontanen Käufen zu animieren. Sie machte sich zur Ladenfront auf, hoffte, ihn auf diese Weise wieder zu finden. Im Gehen fummelte sie an ihrem Handy herum, und es war kein leichtes Unterfangen, währenddessen ihre Telefonliste nach der Nummer der Schule zu durchforsten.
    Die Nummer war nicht gespeichert.
    Mist. Grace wettete, dass die anderen Mütter, die patenten, guten Mütter mit dem selbstbewussten Lächeln und dem perfekten
Freizeitprogramm für ihre Kinder – dass genau die die Telefonnummer der Schule in ihrem Mobiltelefon gespeichert hatten.
    Mrs. Lamb. Zimmer 17 …
    Versuch die Auskunft, du Trottel. Wähle 411.
    Sie drückte die Tasten. Als sie das Ende des Ganges erreicht hatte, sah sie die Reihe der Kassen entlang.
    Keine Spur von dem Mann.
    Im Telefon meldete sich die tiefe, donnernde Stimme: Verizon 411. Dann ein Ping und eine Frauenstimme ertönte: »Für Auskünfte in Englisch bleiben Sie in der Leitung. Para espa ñ ol, por favor numero dos.«
    Und in diesem Moment, als sie dem Angebot in Spanisch lauschte, entdeckte Grace den Fremden.
    Er stand bereits außerhalb des Supermarkts. Sie sah ihn durch die Panzerglasscheibe. Er trug noch immer die Mütze und die Windjacke. Er schlenderte sorglos – zu sorglos, wie sie fand – fröhlich pfeifend einher und ließ die Arme locker an seiner Seite pendeln. Sie wollte schon loslaufen, als etwas – etwas in der Hand des Mannes sie zur Salzsäure erstarren ließ.
    Das war unmöglich.
    Erneut begriff sie nicht sofort. Der Anblick, der Impuls, den das Auge an das Gehirn weitergab, erreichte sein Ziel nicht, sondern löste eine Art Kurzschluss aus. Wieder dauerte es nicht lange. Nur ein oder zwei Sekunden.
    Grace’ Hand mit dem Telefon sank herab und hing leblos herunter. Der Mann ging weiter. Panik – eine nie gekannte Panik, ein Gefühl, angesichts dessen das Massaker von Boston zur Lappalie verkam  – legte sich tonnenschwer auf ihre Brust. Der Mann war fast schon außer Sichtweite. Auf seinem Gesicht lag ein Lächeln. Er pfiff noch immer. Seine Arme pendelten ausladend vor und zurück.
    Und in seiner Hand, seiner rechten Hand, der Hand, die der Fensterscheibe zugewandt war, hielt er eine Frühstücksbox von Batman.

30
    »Mrs. Lawson«, sagte Sylvia Steiner, die Direktorin der Willard-Schule zu Grace in einem Ton, den Schulleiter normalerweise anschlagen, wenn sie es mit hysterischen Eltern zu tun haben. »Mit Emma ist alles in Ordnung. Und mit Max ebenfalls.«
    Als Grace endlich den Ausgang des Supermarkts erreicht hatte, war der Mann mit der Batman-Frühstücksbox verschwunden. Sie begann zu schreien, rief um Hilfe, doch die anderen Supermarktkunden glotzten sie nur an wie eine entlaufene Irre. Für Erklärungen war keine Zeit. Sie hinkte so schnell sie konnte zum Wagen, rief die Schule an, während sie mit einer Geschwindigkeit durch die Stadt raste, die einem Michael Schumacher imponiert hätte, und stürmte das Büro der Schulleitung.
    »Ich habe mit beiden Lehrern gesprochen. Die Kinder sind in ihren Klassen.«
    »Ich möchte sie sehen.«
    »Das ist natürlich Ihr gutes Recht. Darf ich trotzdem einen Vorschlag machen?«
    Sylvia Steiner sprach so verdammt langsam, dass Grace ihr beinahe an die Gurgel gesprungen wäre.
    »Sie haben natürlich einen furchtbaren Schreck bekommen. Aber atmen Sie einfach mal tief durch. Fassen Sie sich. Sie machen Ihren Kindern nur Angst, wenn sie Sie in diesem Zustand sehen.«
    Ein Teil in Grace hätte ihr am liebsten diese herablassende, selbstsichere Maske samt der mit Haarlack fixierten Frisur vom Kopf gerissen. Ein anderer Teil in ihr, der größere Teil, begriff, dass die Frau Recht hatte.
    »Ich muss sie

Weitere Kostenlose Bücher