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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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läuft’s bei Ihnen im Psycho-Laden?«
    Sie lächelte.
    »Sehr gut.«
    »Wie ich höre, schmeißen Sie den Laden inzwischen selbst.«
    Sie nickte. Bosch spürte, wie er innerlich unruhig wurde. Als er damals mit ihr zu tun gehabt hatte, hatte er einen Erholungsurlaub verordnet bekommen. In den zweimal wöchentlich stattfindenden Sitzungen hatte er ihr Dinge erzählt, die er davor oder danach niemandem erzählt hatte. Aber sobald er den Dienst wieder aufgenommen hatte, hatte er nie mehr mit ihr gesprochen.
    Bis zu diesem Moment.
    »Kannten Sie Julia Brasher?«, fragte er.
    Es war nichts Außergewöhnliches daran, dass ein Polizeipsychologe an einem Tod-im-Dienst-Begräbnis teilnahm, um denen, die dem Verstorbenen nahe gestanden hatten, gleich an Ort und Stelle beizustehen.
    »Nein, nicht richtig. Nicht persönlich. Als Leiterin der psychologischen Abteilung habe ich allerdings ihre Bewerbung für die Akademie und ihr Einstellungsgespräch begutachtet. Ich habe meine Unterschrift darunter gesetzt.«
    Sie wartete einen Moment und beobachtete, wie Bosch reagieren würde.
    »Wie ich gehört habe, standen Sie ihr nahe. Und Sie waren dabei. Sie waren der Zeuge.«
    Bosch nickte. Leute, die den Friedhof verließen, gingen links und rechts an ihnen vorbei. Hinojos kam einen Schritt näher auf ihn zu, damit niemand sie hören konnte.
    »Das ist weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt, Harry, aber ich würde gern mit Ihnen über sie sprechen.«
    »Was soll es da schon viel zu erzählen geben?«
    »Ich würde gern wissen, was passiert ist. Und warum?«
    »Es war ein Unfall. Reden Sie mit Chief Irving.«
    »Das habe ich, aber das hat mir nicht gereicht. Und es würde mich sehr wundern, wenn es Ihnen anders ginge.«
    »Hören Sie, Doktor Hinojos, sie ist tot, okay? Ich habe keine Lust …«
    »Ich habe meine Unterschrift unter ihr Gutachten gesetzt. Meine Unterschrift hat ihr zu ihrer Dienstmarke verholfen. Wenn wir etwas … wenn ich etwas übersehen habe, würde ich das gern wissen. Wenn es Zeichen gab, hätten wir sie sehen sollen.«
    Bosch nickte und blickte auf das Gras zwischen ihnen hinab.
    »Machen Sie sich da mal keine Gedanken. Es gab Zeichen, die ich hätte sehen sollen. Aber ich habe auch nicht geschaltet.«
    Sie kam noch einen Schritt näher. Jetzt konnte Bosch nirgendwo mehr hinsehen als direkt auf sie.
    »Dann habe ich mich also nicht getäuscht. An der Sache ist mehr dran.«
    Er nickte.
    »Nichts Augenfälliges. Es ist einfach nur, dass sie auf Messers Schneide gelebt hat. Sie ging Risiken ein – sie hatte eine Grenze überschritten. Sie versuchte ständig, etwas zu beweisen. Ich glaube, sie war nicht mal sicher, ob sie überhaupt Polizistin werden wollte.«
    »Wem wollte sie etwas beweisen?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht sich selbst, vielleicht jemand anderem.«
    »Harry, für mich waren Sie immer jemand mit einem außergewöhnlich guten Instinkt. Was sonst noch?«
    Bosch zuckte mit den Schultern.
    »Einfach Dinge, die sie getan oder gesagt hat … Ich habe von einer Schussverletzung eine Narbe an der Schulter. Sie hat mich darauf angesprochen. Erst vor kurzem. Sie wollte wissen, wie es dazu gekommen wäre, und ich erzählte ihr, ich hätte großes Glück gehabt, dass mich die Kugel genau an dieser Stelle getroffen hat, weil dort überall Knochen sind. Dann … da, wo sie sich hingeschossen hat, das war die gleiche Stelle. Nur bei ihr … ist die Kugel abgeprallt. Damit hat sie nicht gerechnet.«
    Hinojos nickte und wartete.
    »Ich kann einfach nicht ertragen, das zu denken, was ich die ganze Zeit denke – wenn Sie wissen, was ich meine?«
    »Erzählen Sie es mir, Harry.«
    »Ich lasse es immer wieder vor mir ablaufen. Was ich gesehen habe und was ich weiß. Sie richtete ihre Waffe auf ihn. Und ich glaube, sie hätte ihn wahrscheinlich erschossen, wenn ich nicht dazugekommen wäre und gerufen hätte. Sobald er auf dem Boden gelegen hätte, hätte sie seine Hände um die Waffe gelegt und eine Kugel in die Decke oder vielleicht auch in ein Auto gefeuert. Oder vielleicht auch in ihn. Es wäre egal gewesen, solange er nur Paraffin an seinen Händen gehabt hätte und sie hätte behaupten können, er hätte versucht, ihr die Waffe zu entreißen.«
    »Was wollen Sie damit sagen? Dass sie auf sich geschossen hat, um ihn umbringen zu können und selbst als Held dazustehen?«
    »Ich weiß es nicht. Sie sprach davon, dass die Welt Helden bräuchte. Vor allem jetzt. Sie sagte, sie hoffte, eines Tages die Chance zu

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