Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
gehen wir mal in ›Dokumente‹.«
    Wieder führte Jesper sie durch das Hauptlabor und dann in ein Nebenlabor, an dessen Türschloss er eine Kombination eingeben musste, um hineinzukommen.
    Im Dokumente-Labor befanden sich zwei Reihen Schreibtische, von denen keiner besetzt war. Auf jedem Schreibtisch befand sich ein horizontaler Lichtkasten und ein an einem Schwenkarm befestigtes Vergrößerungsglas. Jesper steuerte auf den mittleren Schreibtisch in der zweiten Reihe zu, auf dessen Namensschild Bernadette Fornier stand. Bosch kannte sie. Sie hatte bei einem Fall mit ihm zusammengearbeitet, bei dem ein Abschiedsbrief gefälscht worden war. Er wusste, sie verstand etwas von ihrem Job.
    Jesper nahm einen Beweismittelbeutel aus Plastik, der in der Mitte des Schreibtisches lag. Er öffnete den Reißverschluss und nahm zwei Sichthüllen heraus. In einer war ein nicht gefalteter brauner Umschlag, der mit schwarzem Pilz überzogen war. Die andere enthielt ein stark zersetztes, rechteckiges Stück Papier, das an den Faltstellen in drei Teile zerbrochen war und ebenfalls von Verwesung und Pilzbefall stark verfärbt war.
    »Das passiert, wenn etwas feucht wird«, sagte Jesper. »Bernie hat den ganzen Tag gebraucht, bloß um den Umschlag aufzubekommen und den Brief zu entfalten. Wie Sie sehen, hat er sich an den Faltstellen aufgelöst. Und was die Frage angeht, ob wir jemals sagen können werden, was in dem Brief stand, sieht es nicht gut aus.«
    Bosch schaltete den Lichtkasten ein und legte die Sichthüllen darauf. Er zog das Vergrößerungsglas zu sich heran und studierte den Umschlag und den Brief, der sich darin befunden hatte. Auf keinem der beiden Dokumente befand sich etwas auch nur annähernd Lesbares. Ihm fiel nur auf, dass es so aussah, als wäre keine Briefmarke auf dem Umschlag.
    »Mist«, zischte er.
    Er drehte die Sichthüllen um und betrachtete sie weiter. Edgar stellte sich neben ihn, als wollte er das Offensichtliche bestätigen.
    »Wäre schön gewesen«, sagte er.
    »Was wird sie jetzt machen?«, wandte sich Bosch an Jesper.
    »Tja, wahrscheinlich wird sie es mit verschiedenen Färbemitteln versuchen und mit verschiedenem Licht. Vielleicht findet sie ja irgendwas, das mit der Tinte reagiert und sie zum Vorschein bringt. Aber sie war gestern nicht sehr optimistisch. Deshalb, wie bereits gesagt, ich würde mir nicht allzu große Hoffnungen machen.«
    Bosch nickte und machte das Licht aus.

9
    Am Hintereingang der Hollywood Division befand sich eine Bank mit großen, sandgefüllten Aschenbechern auf beiden Seiten. Nach dem Funkruf für »außer Betrieb« oder »Pause« hieß sie Code 7. Am Samstagabend um 23 Uhr 15 war Bosch der einzige auf der Code 7-Bank. Obwohl er gern geraucht hätte, tat er es nicht. Er wartete. Die Bank wurde von den Lampen über dem Hintereingang der Polizeistation schwach beleuchtet, und man hatte von dort einen guten Blick auf den Parkplatz, den sich die Polizeistation und die Feuerwache am anderen Ende des Areals teilten.
    Bosch beobachtete, wie die Streifenwagen der Spätschicht einliefen und die Cops in das Stationsgebäude gingen, um ihre Uniformen abzulegen, zu duschen und Feierabend zu machen, wenn sie konnten. Er sah auf das MagLite hinab, das er in den Händen hielt, und als er mit dem Daumen über die Kappe an seinem Ende strich, spürte er die Kratzer, wo Julia Brasher ihre Dienstnummer eingeritzt hatte.
    Er wog die Taschenlampe in der Hand und warf sie dann hoch, um ihr Gewicht zu spüren. Ihm war in Zusammenhang mit dem, was Golliher über die Waffe gesagt hatte, mit der der Junge umgebracht worden war, eine Idee gekommen. Er konnte Taschenlampe auf die Liste setzen.
    Bosch beobachtete, wie ein Streifenwagen auf den Parkplatz fuhr und vor der Reparaturwerkstatt hielt. Ein Cop, in dem er Julia Brashers Partner Edgewood erkannte, stieg auf der Beifahrerseite aus und ging mit der Flinte aus dem Wagen in das Stationsgebäude. Während Bosch wartete und schaute, kamen ihm plötzlich Bedenken wegen seines Plans. Er überlegte, ob er noch in die Station kommen könnte, ohne dass sie ihn sah.
    Bevor er sich jedoch entschieden hatte, stieg Brasher auf der Fahrerseite aus und kam auf den Eingang der Station zu. Sie ging mit gesenktem Kopf, wie jemand, der von einem anstrengenden Tag müde und ausgelaugt ist. Bosch kannte dieses Gefühl. Aber er hatte auch den Eindruck, dass irgendetwas nicht stimmte. Es war nur so ein Gefühl, aber die Art, wie Edgewood nach drinnen gegangen und sie

Weitere Kostenlose Bücher