Kein Engel so rein
auf die Seite, sodass ihre Brüste und ihr Lächeln zu sehen war. Ihr Haar war nicht mehr zu einem Zopf geflochten, sondern umspielte jetzt ihre Schultern. Auch das gefiel ihm. Sie zog ihn zu einem langen Kuss auf sich hinab. Dann sagte sie: »So was Nettes hat mir schon lange niemand mehr gesagt.«
Er legte den Kopf auf ihr Kissen. Er konnte den süßen Duft von Parfum und Sex und Schweiß riechen.
»Du hast ja gar keine Bilder an den Wänden«, sagte sie. »Fotos, meine ich.«
Er zuckte mit den Schultern.
Sie drehte sich auf die Seite, sodass sie ihm den Rücken zuwandte. Er fasste unter ihrem Arm durch, umschloss eine ihrer Brüste mit seiner Hand und zog sie wieder an sich.
»Kannst du bis zum Morgen bleiben?«, fragte er.
»Also … mein Mann wird sich wahrscheinlich fragen, wo ich so lange bleibe, aber vielleicht sollte ich ihn einfach anrufen.«
Bosch erstarrte. Dann begann sie zu lachen.
»Erschreck mich bloß nicht wieder so.«
»Du hast mich nicht mal gefragt, ob ich eine Beziehung habe.«
»Du hast mich auch nicht gefragt.«
»Bei dir war der Fall doch klar. Der typische einsame Cop.« Und dann in einer tiefen Männerstimme: »Nur die Fakten, Ma’am. Keine Zeit für Weibergeschichten. Mord ist mein Job. Ich habe zu tun und ich …«
Er fuhr mit dem Daumen ihre Seite hinab, über die Vertiefungen zwischen ihren Rippen. Sie konnte vor Lachen nicht mehr weiterreden.
»Du hast mir deine Taschenlampe geliehen«, sagte er. »Ich dachte, eine Frau, die schon jemand hat, hätte das nicht getan.«
»Und nur damit du’s weißt, du harter Bursche. Ich habe das MagLite in deinem Kofferraum gesehen. In dieser Kiste, bevor du sie zugedeckt hast. Mir konntest du jedenfalls nichts vormachen.«
Verlegen wälzte sich Bosch auf das andere Kissen. Er spürte, wie er rot wurde. Er hob die Hände, um es zu verbergen.
»Wie peinlich … war ich so leicht zu durchschauen?«
Sie drehte sich zu ihm und zog seine Hände weg. Sie küsste ihn aufs Kinn.
»Ich fand das richtig süß. Davon bekam ich gleich bessere Laune, und es war etwas, worauf ich mich vielleicht freuen konnte.«
Sie drehte seine Hände um und betrachtete die Narben auf seinen Knöcheln. Sie waren schon ziemlich alt und kaum mehr zu erkennen.
»Hey, was hast du denn da?«
»Nur ein paar Narben.«
»Das weiß ich auch. Von was?«
»Ich hatte Tätowierungen. Ich ließ sie mir wegmachen. Das ist schon lange her.«
»Wieso?«
»Ich musste sie mir wegmachen, als ich zur Army kam.«
Sie begann zu lachen.
»Warum? Was hast du dir auf die Hände tätowieren lassen? Fuck the army oder was?«
»Nein, nichts in der Art.«
»Was dann? Erzähl schon, ich will es wissen.«
»Auf einer Hand stand H-A-L-T und auf der anderen F-E-S-T.«
»Halt fest? Was soll ›halt fest‹ bedeuten?«
»Also, das ist eine lange Geschichte …«
»Ich habe Zeit. Mein Mann hat nichts dagegen.«
Sie lächelte.
»Komm schon, ich will es wissen.«
»Eigentlich nichts Besonderes. Als ich noch ein Junge war, landete ich, als ich wieder mal ausriss, unten in San Pedro. Irgendwo am Fischereihafen. Und eine Menge von den Typen dort unten, die Fischer, die Thunfischtypen, die hatten das auf ihren Händen stehen. Halt fest. Und ich fragte einen von ihnen danach, und er erklärte mir, das wäre ihr Motto, ihre Philosophie. Es war praktisch so, wenn sie auf ihren Booten rausfuhren, wenn sie oft wochenlang auf hoher See waren und die Wellen so richtig groß wurden und überhaupt alles ein bisschen gefährlich, da blieb einem nichts anderes übrig, als zuzupacken und sich festzuhalten.«
Bosch machte zwei Fäuste und hielt sie hoch.
»Halt dich am Leben fest … an allem, was du hast.«
»Und dann hast du dir das auch auf die Hände machen lassen. Wie alt warst du damals?«
»Ich weiß nicht mehr, so um die sechzehn, schätze ich.«
Er nickte, und dann lächelte er.
»Was ich nicht wusste, war, dass die Thunfischfänger das von irgendwelchen Typen aus der Navy übernommen hatten. Als ich deshalb ein Jahr später mit ›Halt fest‹ auf den Händen bei der Army anmarschiert komme, sagt mein Sergeant gleich als Erstes, ich soll das schnell mal wieder loswerden. Er würde keine Fischkopftätowierungen auf den Händen seiner Männer dulden.«
Sie nahm seine Hände und sah sich die Knöchel genau an.
»Das sieht aber nicht so aus, als ob es mit einem Laser gemacht worden wäre.«
Bosch schüttelte den Kopf.
»Damals gab es noch keine Laser.«
»Was hast du dann
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