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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Pressestelle der Polizei zukommen.«
    Er drehte sich wieder um und ging mit Edgar auf das Haus zu. Die Reporter bombardierten sie mit weiteren Fragen, aber Bosch gab durch nichts zu erkennen, dass er sie auch nur hörte.
    An der Haustür klopfte Edgar laut. Er rief nach Trent und fügte hinzu, es sei die Polizei. Nach einer Weile klopfte er wieder und machte noch einmal die gleiche Ankündigung. Sie warteten erneut, und nichts geschah.
    »Von hinten?«, fragte Edgar.
    »Ja, außer die Garage hat an der Seite eine Tür.«
    Sie überquerten die Einfahrt und gingen hinter das Haus. Die Reporter riefen weitere Fragen. Bosch vermutete, sie waren so daran gewöhnt, Leute mit Fragen zu bestürmen, die nicht beantwortet wurden, dass das etwas völlig Normales für sie war und sie sich auch nichts mehr dabei dachten, wenn sie nicht beantwortet wurden. Wie ein Hund, der noch lange, nachdem sein Herrchen zur Arbeit gegangen ist, im Garten bellt.
    Sie kamen an der Seitentür der Garage vorbei, und Bosch stellte fest, dass er richtig in Erinnerung behalten hatte, dass sie nur durch das Schloss im Türknauf gesichert war. Sie gingen weiter nach hinten. Auf der Rückseite des Hauses war eine Küchentür mit einem Kastenschloss und einem Schloss im Türknauf. Außerdem gab es eine Schiebetür, die sich leicht aufstemmen ließe. Edgar ging darauf zu, aber als er durch die Glasscheibe auf die innere Gleitschiene hinabsah, stellte er fest, dass darin ein Holzkeil angebracht war, der verhinderte, dass die Tür von außen geöffnet werden konnte.
    »Daraus wird nichts, Harry«, sagte er.
    Bosch hatte einen kleinen Beutel mit einem Satz Dietriche in der Hosentasche. Er hatte keine Lust, sich mit dem Kastenschloss an der Küchentür abzumühen.
    »Probieren wir die Garagentür, außer …«
    Er ging auf die Küchentür zu und versuchte den Knauf zu drehen. Die Tür war nicht abgeschlossen, und er öffnete sie. Im selben Moment wurde ihm klar, sie würden Trent nur noch tot finden. Trent gehörte zu den rücksichtsvollen Selbstmördern. Zu denen, die ihre Haustür offen ließen, damit man nicht bei ihnen einbrechen musste.
    »Scheiße.«
    Edgar kam näher und zog seine Dienstwaffe.
    »Die kannst du ruhig stecken lassen«, sagte Bosch.
    Er betrat das Haus, und sie gingen durch die Küche.
    »Mr. Trent?«, rief Edgar. »Polizei! Polizei im Haus! Sind Sie hier, Mr. Trent?«
    »Übernimm du die Vorderseite«, sagte Bosch.
    Sie trennten sich, und Bosch ging auf dem kurzen Flur zu den Schlafzimmern. Er fand Trent in der Duschkabine des Bads. Er hatte aus zwei Drahtkleiderbügeln eine Schlinge gemacht und sie an der Haltestange des Duschkopfs befestigt. Dann hatte er sich gegen die geflieste Wand zurückgelehnt und sich fallen lassen. Er trug noch dieselben Sachen wie am Abend zuvor. Seine nackten Füße waren auf dem gefliesten Boden. Es gab keinerlei Hinweise darauf, dass Trent noch einmal Zweifel an seinem Entschluss gekommen waren, seinem Leben ein Ende zu setzen. Um ihn rückgängig zu machen, hätte er nur wieder aufzustehen brauchen. Aber das hatte er nicht getan.
    Bosch würde die Klärung dieser Frage den Gerichtsmedizinern überlassen müssen, aber aus der dunklen Verfärbung der aus dem Mund stehenden Zunge des Toten schloss er, dass Trent mindestens zwölf Stunden tot war. Demnach war der Zeitpunkt seines Todes in den frühen Morgenstunden anzusetzen, kurz nachdem Channel 4 zum ersten Mal aller Welt seine geheim gehaltene Vergangenheit enthüllt und ihn als einen Verdächtigen im Knochenfall bezeichnet hatte.
    »Harry?«
    Bosch zuckte zusammen. Er drehte sich um und sah Edgar an.
    »Musst du mich so erschrecken, Mann? Was ist?«
    Edgar starrte die Leiche an.
    »Auf dem Couchtisch ist ein dreiseitiger Abschiedsbrief.«
    Bosch stieg aus der Dusche und zwängte sich an Edgar vorbei. Auf dem Weg ins Wohnzimmer zog er ein Paar Latexhandschuhe aus der Tasche und blies hinein, um den Gummi zu dehnen, bevor er hineinschlüpfte.
    »Hast du ihn schon gelesen?«
    »Ja, er schreibt, dass er den Jungen nicht umgebracht hat. Er schreibt, er bringt sich um, weil die Polizei und die Journalisten sein Leben zerstört haben, und er nicht mehr weiter weiß. In dem Stil. Zum Teil auch ziemlich wirres Zeug.«
    Bosch ging ins Wohnzimmer. Edgar folgte ihm in einigen Schritten Abstand. Bosch sah die handbeschriebenen Blätter nebeneinander auf dem Couchtisch liegen. Er setzte sich vor ihnen auf die Couch.
    »So haben sie dagelegen?«
    »Ja, ich habe sie nicht

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