Kein Engel so rein
meine.«
»Das Angebot steht nach wie vor. Alles, was du tun musst, ist –«
»Harry, ich muss jetzt Schluss machen. Er kommt gerade.«
»Okay, bye.«
Bosch legte auf und rieb sich mit der Hand den Mund, als er überlegte, was er mit Thornton machen sollte. Er konnte Kiz’ Geschichte Carol Bradley erzählen. Allerdings gab es darin noch zu viel Raum für Irrtümer. Solange er nicht absolut sicher war, hätte er kein gutes Gefühl gehabt, damit zur Dienstaufsicht zu gehen. Allein der Gedanke, überhaupt wegen etwas zur Dienstaufsicht zu gehen, war ihm zuwider, aber in diesem Fall behinderte jemand seine Ermittlungen.
Und das war etwas, was er nicht zulassen konnte.
Nach ein paar Minuten kam ihm eine Idee. Er sah auf die Uhr. Es war zehn Minuten vor zwölf. Er rief Kiz noch mal an.
»Ich bin’s, Harry. Ist er da?«
»Ja, warum?«
»Sprich mir nach, möglichst aufgeregt: ›Tatsächlich, Harry? Klasse! Wer war’s?‹«
»Tatsächlich, Harry? Klasse! Wer war’s?«
»Okay, und jetzt hörst du mir zu. Du hörst mir zu, du hörst mir zu. Und jetzt sagst du: ›Wie kommt denn ein Zehnjähriger von New Orleans nach L. A.?‹«
»Wie kommt denn ein Zehnjähriger den ganzen Weg von New Orleans nach L. A.?«
»Sehr gut. Jetzt hängst du auf und sagst nichts. Wenn Thornton fragt, sagst du, wir haben den Jungen anhand seiner zahnärztlichen Unterlagen identifiziert. Er war ein zehnjähriger Ausreißer aus New Orleans, der neunzehnhundertfünfundsiebzig zum letzten Mal gesehen wurde. Seine Eltern sind schon im Flugzeug unterwegs hierher. Und der Polizeichef hält wegen der ganzen Sache heute um vier eine Pressekonferenz ab.«
»Okay, Harry, mach’s gut.«
»Du auch.«
Bosch beendete das Gespräch und blickte auf. Edgar stand auf der anderen Seite des Tisches. Er hatte den letzten Teil des Telefonats mitbekommen und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Nein, nein, alles erfunden«, sagte Bosch. »Ich stelle dem Informanten eine Falle. Und der Reporterin.«
»Dem Informanten? Wer ist die undichte Stelle?«
»Kiz’ neuer Partner. Vermuten wir.«
Edgar ließ sich auf seinen Stuhl sinken und nickte bloß.
»Aber möglicherweise haben wir eine Identifikation für die Knochen«, fügte Bosch hinzu.
Er erzählte Edgar von dem telefonischen Hinweis auf Arthur Delacroix und dem Gespräch, das er darauf mit Bill Golliher geführt hatte.
»Neunzehnhundertachtzig? Dann können wir Trent streichen. Ich habe in den Umgekehrten und im Grundbuch nachgesehen. Er ist erst vierundachtzig in der Wonderland eingezogen. Genau, wie er gestern Abend gesagt hat.«
»Irgendwas sagt mir, er ist nicht unser Mann.«
Bosch dachte wieder an das Skateboard. Es reichte nicht aus, ihn von seiner Überzeugung abzubringen.
»Erzähl das mal Channel Four.«
Boschs Telefon klingelte. Es war Rider.
»Er ist gerade aufs Klo gegangen.«
»Hast du ihm von der Pressekonferenz erzählt?«
»Ich habe ihm alles erzählt. Er wollte alles ganz genau wissen, dieser Idiot.«
»Wenn er ihr erzählt, dass es um vier alle erfahren werden, wird sie schon mittags eine Exklusivmeldung bringen. Das möchte ich mir ansehen.«
»Gib mir Bescheid.«
Er legte auf und sah auf die Uhr. Ein paar Minuten hatte er noch Zeit. Er sah Edgar an.
»Ach, übrigens, in einem der Zimmer da hinten ist die Dienstaufsicht. Gegen uns wird ermittelt.«
Edgars Unterkiefer klappte nach unten. Wie die meisten Cops war er nicht gut auf die Dienstaufsicht zu sprechen, denn selbst wenn man seine Arbeit gut und korrekt machte, konnte sie einem wegen allem Möglichem das Leben schwer machen. Es war wie mit dem Finanzamt. Ein Brief mit seinem Absender drauf genügte, und man bekam ein flaues Gefühl im Bauch.
»Kein Grund zur Aufregung. Es ist wegen dieser Channel-Four-Geschichte. Aber das dürfte sich in wenigen Minuten erledigt haben. Komm mit.«
Sie gingen in Lt. Billets’ Büro, wo es einen kleinen Fernseher gab. Sie erledigte gerade irgendwelchen Schreibkram.
»Was dagegen, wenn wir uns eben mal die Mittagsnachrichten von Channel Four ansehen?«, fragte Bosch.
»Bitte gern. Captain LeValley und Chief Irving werden sie sich bestimmt auch ansehen.«
Die Nachrichten begannen mit einem Bericht über eine Massenkarambolage auf dem Santa Monica Freeway, bei der im Morgennebel sechzehn Autos ineinander gefahren waren. Es war keine wirkliche Topmeldung – es hatte keine Toten gegeben –, aber weil sie gutes Bildmaterial hatten, brachten sie den Bericht gleich zu
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