Kein Engel so rein
wartete. In der Stimme, die sich meldete, erkannte er die Mortons wieder. Sie kam von einem Anrufbeantworter. Morton sagte, er sei nicht zu Hause und der Anrufer solle eine Nachricht hinterlassen.
Bosch wählte Lt. Billets Durchwahl. Sie ging sofort dran, und Bosch konnte hören, dass sie aß.
»Tut mir Leid, wenn ich Ihnen das beim Essen sagen muss, aber wir sind jetzt in Trents Haus. Sieht so aus, als hätte er Selbstmord begangen.«
Darauf trat längeres Schweigen ein, und dann fragte sie Bosch, ob er sicher wäre.
»Ich bin sicher, dass er tot ist, und ich bin ziemlich sicher, dass er es selbst war. Er hat sich in der Dusche mit zwei Drahtkleiderbügeln aufgehängt. Es gibt einen dreiseitigen Abschiedsbrief. Darin erklärt er, nichts mit den Knochen zu tun zu haben. Die Schuld an seinem Tod gibt er hauptsächlich Channel Four und der Polizei – speziell mir und Edgar. Sie sind die Erste, die ich anrufe.«
»Na schön, wir wissen alle, dass Sie es nicht waren, der –«
»Schon okay, Lieutenant, ich brauche keine Absolution. Was soll ich hier jetzt machen?«
»Übernehmen Sie die Routinetelefonate. Ich rufe in Chief Irvings Büro an und sage ihm, was passiert ist. Das wird kitzlig.«
»Ja. Und was ist mit der Pressestelle? Vor dem Haus ist bereits eine ganze Meute von Journalisten.«
»Ich werde sie anrufen.«
»Haben Sie wegen Thornton schon was unternommen?«
»Die Sache läuft bereits. Die Frau von der Dienstaufsicht, Bradley, sie kümmert sich darum. Angesichts der jüngsten Entwicklungen würde ich sagen, Thornton hat sich nicht nur um seinen Job gequatscht, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach hat er jetzt sogar noch eine Strafanzeige am Hals.«
Bosch nickte. Thornton verdiente es. Er hatte noch immer kein schlechtes Gewissen wegen der Falle, die er ihm gestellt hatte.
»Okay, wir sind jedenfalls hier. Zumindest noch eine Weile.«
»Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie etwas finden, was ihn mit den Knochen in Zusammenhang bringt.«
Bosch dachte an die Stiefel mit den Schmutzresten in den Profilen und an das Skateboard.
»Mach ich.«
Bosch unterbrach die Verbindung und rief dann sofort in der Gerichtsmedizin und bei der Spurensicherung an.
Im Wohnzimmer hatte Morton den Brief zu Ende gelesen.
»Mr. Morton, wann haben Sie zum letzten Mal mit Mr. Trent gesprochen?«, fragte Bosch.
»Gestern Abend. Er rief mich nach den Channel-Four-Nach-richten zu Hause an. Seine Chefin hatte sie gesehen und ihn angerufen.«
Bosch nickte. Das erklärte den letzten Anruf.
»Wissen Sie, wie seine Chefin heißt?«
Morton deutete auf das mittlere Blatt auf dem Tisch.
»Sie steht hier drauf. Alicia Felzer. Sie sagte ihm, sie würde auf seine fristlose Kündigung dringen. Das Studio produziert Kinderfilme. Sie könnte ihn unmöglich zusammen mit Kindern an einen Set lassen. Verstehen Sie? Der Umstand, dass die Medien von Trents Vorstrafe Kenntnis erhalten haben, hat diesen Mann ruiniert. Sie haben einem Menschen ohne Rücksicht auf Verluste seine Existenz geraubt und –«
»Wenn Sie bitte mich die Fragen stellen lassen würden, Mr. Morton. Sparen Sie sich Ihre Entrüstung für den Moment auf, wenn Sie nach draußen gehen und mit den Reportern sprechen, was Sie bestimmt tun werden. Was hat zu bedeuten, was auf der letzten Seite steht? Er spricht dort von Kindern. Von seinen Kindern. Was meint er damit?«
»Ich habe keine Ahnung. Offensichtlich war er emotional sehr stark aufgewühlt, als er das schrieb. Es muss nicht unbedingt etwas bedeuten.«
Bosch blieb stehen und sah den Anwalt forschend an.
»Warum hat er Sie gestern Abend angerufen?«
»Warum glauben Sie wohl? Um mir zu sagen, dass Sie bei ihm gewesen waren, dass alles in den Nachrichten gekommen war und dass seine Chefin es gesehen hatte und ihn rauswerfen wollte.«
»Hat er gesagt, ob er den Jungen dort oben auf dem Hügel begraben hat?«
Morton setzte die entrüstetste Miene auf, die er zustande brachte.
»Er hat gesagt, dass er nicht das Geringste mit der ganzen Sache zu tun hat. Er glaubte, er würde für einen Fehler aus seiner Vergangenheit verfolgt, für einen sehr weit zurückliegenden Fehler, und ich würde sagen, dass er damit vollkommen Recht hatte.«
Bosch nickte.
»Okay, Mr. Morton, Sie können jetzt gehen.«
»Was soll das heißen? Ich werde auf keinen Fall –«
»Dieses Haus ist jetzt ein Tatort. Wir stellen Ermittlungen zum Tod Ihres Mandanten an, um zu klären, ob er von eigener Hand gestorben ist oder nicht. Sie sind hier
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