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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Wenn es infolge von Urlauben, Gerichtsterminen oder Krankmeldungen nicht genug Uniformierte gab, um die Streifenwagen zu bemannen, zog der diensthabende Sergeant immer Leute vom Schalter für die Einsätze ab.
    »In Ordnung.«
    Edgar war immer noch nicht am Tisch, als Bosch in den Bereitschaftsraum der Detectives zurückkehrte. Bosch stellte seinen Kaffee und den Doughnut neben eine der Selectric-Schreibmaschinen und holte ein Durchsuchungsbefehl-Antragsformular aus einem der Aktenschränke. In den nächsten fünfzehn Minuten tippte er einen Zusatz zu dem Durchsuchungsbefehl, den er dem Leiter der Archivstelle des Queen of Angels bereits ausgehändigt hatte. Darin wurde um die Herausgabe sämtlicher ärztlicher Unterlagen von Arthur Delacroix für den Zeitraum zwischen 1975 und 1985 gebeten.
    Als er fertig war, ging er mit dem Antrag zum Faxgerät und schickte ihn an das Büro von Richter John A. Houghton, der am Tag zuvor sämtliche Krankenhaus-Durchsuchungsbefehle unterzeichnet hatte. Er fügte einen kurzen Vermerk bei, der Richter möge den Zusatzantrag so bald wie möglich prüfen, weil er zur definitiven Identifizierung der Knochen führen könne, wodurch sich wiederum die Zielrichtung der Ermittlungen deutlich einengen ließe.
    Bosch kehrte an den Tisch zurück und holte den Packen mit Vermisstenmeldungen, die er aus dem Archiv ›gefischt‹ hatte, aus einer Schublade. Als er sie rasch überflog, achtete er nur auf das Kästchen mit dem Namen der vermissten Person. Nach zehn Minuten war er fertig. Der Packen enthielt keine Vermisstenmeldung für Arthur Delacroix. Er wusste nicht, was das bedeutete, aber er hatte vor, die Schwester des Jungen danach zu fragen.
    Inzwischen war es acht Uhr, und Bosch wollte losfahren, um die Schwester aufzusuchen. Aber von Edgar war noch nichts zu sehen. Bosch aß den Rest seines Doughnut und beschloss, noch zehn Minuten zu warten. Dann würde er ohne seinen Partner aufbrechen. Er arbeitete länger als zehn Jahre mit Edgar zusammen und hatte sich noch immer nicht mit der Unpünktlichkeit seines Partners abgefunden. Es war eine Sache, sich zum Essen zu verspäten. Aber es war eine andere, sich zu Ermittlungen in einem Fall zu verspäten. Er hatte Edgars ständiges Zu-spät-Kommen immer als mangelndes Engagement aufgefasst.
    Sein Direktanschluss läutete, und Bosch meldete sich mit einem ärgerlichen Knurren, da er annahm, es wäre Edgar, der ihm mitteilen wollte, dass er sich verspätet hatte. Aber es war nicht Edgar. Es war Julia Brasher.
    »So springst du also mit den Frauen um? Schleichst dich aus dem Haus und lässt sie allein im Bett zurück.«
    Bosch grinste, und sein Ärger über Edgar verflog rasch.
    »Ich habe einen ziemlich anstrengenden Tag vor mir«, sagte er. »Deshalb musste ich los.«
    »Ich weiß. Aber du hättest dich wenigstens verabschieden können.«
    Bosch sah, dass Edgar durch den Bereitschaftsraum gewalzt kam. Er wollte los, bevor Edgar mit seinem Kaffee-, Doughnut- und Sportteil-Ritual anfing.
    »Na schön, dann hole ich das jetzt nach, okay? Ich stecke hier gerade mitten in der Arbeit und muss dringend los.«
    »Harry …«
    »Was?«
    »Ich dachte, du wolltest mich bloß abwimmeln oder so.«
    »Nein, nein, aber trotzdem muss ich jetzt los. Komm doch kurz vorbei, bevor du zum Appell musst. Bis dahin müsste ich eigentlich wieder zurück sein.«
    »Okay. Bis dann.«
    Bosch hängte auf und stand genau in dem Moment auf, als Edgar den Tisch erreichte und den zusammengefalteten Sportteil auf seinen Platz warf.
    »Bist du fertig?«
    »Ja, ich wollte mir nur …«
    »Lass uns gleich losfahren. Ich will die Frau nicht warten lassen. Und bei ihr kriegst du wahrscheinlich auch einen Kaffee.«
    Auf dem Weg nach draußen sah Bosch in das Eingangsfach des Faxgeräts. Sein Durchsuchungsbefehlzusatz war bereits unterschrieben von Richter Houghton zurückgeschickt worden.
    »Wir sind im Geschäft«, sagte Bosch zu Edgar und zeigte ihm den Durchsuchungsbefehl, als sie zum Auto gingen. »Siehst du? Wenn man früh anfängt, kriegt man eine Menge erledigt.«
    »Was soll das jetzt wieder bedeuten? Ist das eine Anspielung auf mich?«
    »Es bedeutet einfach, was es bedeutet, schätze ich mal.«
    »Ich will nur einen Kaffee.«

24
    Sheila Delacroix lebte in einem Teil der Stadt, der Miracle Mile genannt wird. Dieses südlich des Wilshire Boulevard gelegene Viertel erreichte nicht ganz das Niveau des nahen Hancock Park, aber es zeichnete sich durch gepflegte Ein- und

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