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Kein Engel so rein

Kein Engel so rein

Titel: Kein Engel so rein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Um einen gewissen Ausgleich zu diesen ganzen Testosteron-Bolzen in der Truppe zu schaffen und ein bisschen die ganzen Spannungen abzubauen.«
    Zur Unterstreichung des Gesagten begann sie an Boschs Genitalien mit den Hüften zu kreisen.
    »Apropos Testosteron«, fuhr sie fort, »du hast mir noch gar nicht erzählt, wie es heute mit dem Big Boss persönlich lief.«
    Bosch stöhnte, aber er antwortete nicht.
    »Weißt du«, sagte sie, »Irving kam eines Tages in die Academy, um einen Vortrag über die moralischen Verpflichtungen zu halten, die mit dem Tragen einer Uniform einhergehen. Und alle im Saal wussten, dass im Büro dieses Typen im fünften Stock wahrscheinlich mehr krumme Geschäfte ausgehandelt werden, als das Jahr Tage hat. Irving ist der geborene Mauschler. Diese Ironie stand die ganze Zeit fast greifbar im Raum.«
    Bei dem Wort »Ironie« musste Bosch unwillkürlich daran denken, was Antoine Jesper über den Zusammenhang zwischen den Knochen auf dem Hügel und den Knochen auf dem Skateboard gesagt hatte. Er spürte, wie er sich am ganzen Körper verkrampfte, als sich plötzlich Gedanken an den Fall in etwas einzuschleichen begannen, was bisher eine Oase des Rückzugs von den Ermittlungen gewesen war.
    Sie spürte seine Anspannung.
    »Was hast du denn?«
    »Nichts.«
    »Du bist plötzlich so angespannt.«
    »Der Fall wahrscheinlich.«
    Sie schwieg einen Moment.
    »Irgendwie ist das Ganze ja schon komisch«, begann sie schließlich. »Da haben diese Knochen jahrelang dort oben gelegen, und dann kommen sie plötzlich aus der Erde. Wie ein Geist oder so.«
    »Das ist die Stadt der Knochen. Und alle warten darauf, herauszukommen.«
    Er machte eine Pause.
    »Ich will im Moment nicht über Irving oder die Knochen oder den Fall oder sonst was reden.«
    »Was willst du dann?«
    Er antwortete nicht. Sie wandte sich ihm zu und begann, ihn von den Kissen zu schieben, bis er flach auf dem Rücken lag.
    »Wie wär’s mit einer reifen Frau, die diese ganzen Spannungen ein bisschen abbaut?«
    Bosch konnte nicht anders. Er musste grinsen.

23
    Bosch machte sich schon vor Tagesanbruch auf den Weg. Er ließ Julia Brasher schlafen und kaufte sich im Abbot’s Habit einen Kaffee zum Mitnehmen, bevor er losfuhr. Venice war wie ausgestorben, und nur die Schwaden des Frühnebels tasteten sich durch die Straßen. Je mehr er sich allerdings Hollywood näherte, desto zahlreicher wurden die Autolichter auf den Straßen, und Bosch wurde daran erinnert, dass die Stadt der Knochen eine 24-Stunden-Stadt war.
    Zu Hause duschte er und zog sich frische Sachen an. Dann stieg er wieder in sein Auto und fuhr den Hügel hinunter zur Hollywood Division. Es war halb acht, als er dort ankam. Überraschenderweise waren bereits einige Detectives da, die Schreibkram erledigten oder an Fällen arbeiteten. Edgar war nicht darunter. Bosch stellte seine Aktentasche ab und ging nach vorn zum Schalter, um Kaffee zu holen und nachzusehen, ob irgendwelche Bürger Doughnuts gebracht hatten. Fast jeden Tag brachte jemand aus der Bevölkerung, der noch an das Gute glaubte, ein paar Doughnuts für die Polizei vorbei. Eine kleine Geste, die besagen sollte, dass es auch noch Leute gab, die von den Schwierigkeiten dieses Jobs wussten oder sie zumindest nachvollziehen konnten. Tag für Tag schlüpften Cops in den Polizeistationen des Landes in ihre Uniformen und versuchten ihr Bestes, und das in einer Umgebung, in der die Bevölkerung sie nicht verstand, nicht besonders mochte und in vielen Fällen regelrecht verachtete. Bosch hatte es schon immer erstaunlich gefunden, in welchem Umfang das eine Schachtel Doughnuts wettmachen konnte.
    Er schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und warf einen Dollar in den Korb. Dann nahm er einen Zuckerdoughnut aus einer Schachtel auf der Theke, die bereits von den Streifenpolizisten geplündert worden war. Kein Wunder. Sie war von Bob’s Donuts im Farmer’s Market. Er wurde auf Mankiewicz aufmerksam, der an seinem Schreibtisch saß und, die dunklen Augenbrauen zu einem steilen V hochgezogen, eine Einsatztabelle studierte.
    »Hey, Mank, da war übrigens, glaube ich, ein Supertipp unter diesen ganzen telefonischen Hinweisen. Dachte, das könnte Sie vielleicht interessieren.«
    Mankiewicz antwortete, ohne aufzusehen.
    »Gut. Sagen Sie mir Bescheid, wenn meine Leute wieder kürzer treten können. Die nächsten Tage werden wir hier am Schalter nicht besonders gut belegt sein.«
    Das bedeutete, dass Mankiewicz mit dem Personal jonglierte.

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