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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
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Schnellbahn, die einen Block von seinem Apartment entfernt vorbeifuhr, und die Bauarbeiten an der Gasleitung an der Edison Street. Nur ein leiser Wind strich im Haus des verstorbenen Mycroft Doyle durch die Dachschindeln.
    Frank erhob sich aus seinem Bett aus Pitchpineholz. Die ausgeleierten Latten gaben ein rustikales Knarzen von sich. Eher angenehm. Das Ziffernblatt des Weckers zeigte sieben Uhr. Das Mansardenzimmer hatte keine Vorhänge, das Winterlicht drang schwach herein und überzog die Mauern mit einem bläulichen Schimmer.
    Frank begab sich ins Badezimmer. Es dauerte ewig, bis das warme Wasser endlich den Duschkopf erreichte. Seine Kleidung war auf diverse Taschen und Kartons verteilt. Keine zwanzig Minuten später war er gerüstet, um Dekan Emerson in dessen Haus aufzusuchen.
    Der Schneesturm war abgeebbt, hatte aber einer beißenden Kälte Platz gemacht. Mit Hilfe des von Norris zurückgelassenen Zettels fand Franklin das »Dorf der Professoren« ohne Schwierigkeiten. Der Eindruck eines Theaterdekors, den er am Vorabend gewonnen hatte, war an diesem Morgen noch frappierender. Die Fassaden, die Gärten, die Farben, alles wirkte wie zeitlos, so glatt wie ein englisches Zierbildchen. Niemand hätte sich besonders gewundert, wenn die Frauen hier platinblonde Knoten und Kleider in Vichykaro trügen und dabei Vaughn Monroe hören.
    Er entdeckte Emersons Haus. Riesig. Es war im palladianischen Stil erbaut und die Fassade mit ihren weißen dorischen Säulen, ihrem verzierten Fries und ihrer zentralen Kuppel ähnelte der des Jefferson-Museums von Monticello.
    Als er läutete, erklangen drei Musiknoten. Es klang wie eine Spieldose oder eine antike Uhr.
    Der Dekan öffnete persönlich.
    »Franklin! Ich fürchtete schon, Sie auch heute nicht zu Gesicht zu bekommen!«
    Lewis Emerson war Mitte sechzig, ziemlich groß, hatte kurz geschnittene Haare und war glatt rasiert. Er hatte helle Augen und trug eine dicke Brille mitten auf der Nase. Trotz der frühen Stunde steckte zwischen seinen Lippen eine Zigarette.
    »Ich habe mein Bestes getan im Sturm und ohne Mobiltelefon«, erwiderte Franklin. »Mein Funkkontakt brach zusammen, nachdem ich die Grenze von Illinois überquert hatte. Ich bin erst gegen Mitternacht angekommen.«
    »Sie sind hier, heil und ganz, das ist alles, was zählt. Sie hätten irgendwo in unseren Wäldern stecken bleiben können. Das ist schon vorgekommen. Es wäre ein kläglicher Anfang für Ihre erste Nacht bei uns gewesen. Treten Sie doch ein.«
    Die Ausmaße der Eingangshalle entsprachen der Hausfassade, gigantisch. Kronleuchter, steinerne Träger, große Treppe, Sand- und Goldtöne. Franklin erkannte einen Salon im französischen Stil des 17. Jahrhunderts und eine Bar mit zwei Kartentischen sowie ein Regal, auf dem Golftrophäen thronten.
    »Meine Frau Agatha wartet mit dem Frühstück auf uns.«
    Agatha Emerson war eine Brünette mit weit aufgerissenen Augen, was ihr einen ständig verblüfften Ausdruck verlieh. Sowie sie Franklin erblickte, eilte sie ihm mit dem Überschwang einer Frau, die an große Empfänge gewohnt ist, zur Begrüßung entgegen.
    Das Frühstück der Emersons war im Esszimmer angerichtet, ein echtes Stilzimmer, das nichts mit jenen Küchenecken gemein hatte, in denen man im Stehen einen Kaffee und ein Muffin verschlang. Es war gedeckt wie für ein feierliches Abendessen. Franklin fühlte, wie ihm unbehaglich zumute wurde. Da saß er nun alleine mit den beiden Emersons.
    »Hatten Sie eine angenehme Nacht?«, fragte Agatha, während sie den Kaffee aus der Küche brachte.
    »Ausgezeichnet, danke. Die Luft und die Stille haben gewiss dazu beigetragen. Und die Erschöpfung nach der Reise …«
    »Aber dieses Haus ist leer!«, unterbrach ihn die Frau. »Mir an Ihrer Stelle wäre das unheimlich. Ein Haus ohne Möbel, das finde ich furchterregend. Ich hätte kein Auge zugetan in der Nacht. Sie hätten bei uns Quartier beziehen sollen. Wir haben Gästezimmer. Nicht wahr, Lewis?«
    Der Ehemann nickte zustimmend.
    »Ich hatte keine Gelegenheit, Ihnen diesen Vorschlag zu machen«, sagte er, »aber er gilt noch immer, wenn Sie es wünschen. Bis Ihre Sachen …«
    »Nein, wirklich, das ist sehr freundlich«, entgegnete Frank. »Ich muss mich schon für das Bett bedanken. Norris hat mir davon erzählt.«
    Emerson machte eine Handbewegung.
    »Das ist doch nicht der Rede wert.«
    Er streckte den Arm nach einem Stuhl neben sich aus und ergriff eine Ausgabe des Concord Globe , der regionalen

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