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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
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Tageszeitung.
    »Sehen Sie! Sie sind schon ein Star in der Region!«
    In einem Artikel von diesem Tag wurde Franklins Ankunft in Durrisdeer als Nachfolger für den verstorbenen Mycroft Doyle angekündigt. Der Journalist behandelte Frank wie eine kleine Berühmtheit, einen Erfolgsautor. Er dichtete ihm dreihunderttausend verkaufte Exemplare seines Essays anstelle der tatsächlich verkauften dreißigtausend an, nur um voll Stolz mit seiner Ankunft in der Grafschaft zu prahlen. Ein Foto des jungen Mannes vervollständigte die Meldung.
    »Der Verfasser dieses Artikels hat mich gefragt, ob er Sie interviewen könnte«, sagte Emerson. »Ich habe mir die Freiheit genommen, an Ihrer Stelle abzulehnen. Durrisdeer braucht keine derartige Publicity. Sie sind mir hoffentlich nicht böse?«
    »Keineswegs, das passt mir sogar.«
    Endlich fertig nahm Agatha bei Tisch Platz. Sogleich warf sie ihrem Mann einen erzürnten Blick zu. Dieser drückte, ohne zu protestieren, seine Zigarette aus.
    Unvermittelt begannen die beiden ein Tischgebet zu sprechen. Der junge Mann, Sohn einer Ungläubigen, wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Die Frau betete voll Inbrunst, Lewis schloss die Augen, vielleicht dachte er an etwas anderes.
    Nachdem sie zu Ende gebetet hatte, hob Agatha den Kopf, ein mechanisches Lächeln lag auf ihrem Gesicht.
    »Haben Sie Durrisdeer leicht gefunden?«
    »Ja. Wenn man so will …«
    »Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich gewundert haben, weshalb so wenige Hinweisschilder im Bezirk den Weg zur Universität zeigen, stimmt’s?«
    »In der Tat«, bestätigte Franklin. »Dabei habe ich genau aufgepasst.«
    Emerson brach in herzhaftes Lachen aus.
    »Der hiesige Bürgermeister rauft sich die Haare unseretwegen! Nun ja, er hat sie sich gerauft. Inzwischen lässt er es bleiben.«
    Er reichte Frank die Platte mit den Rühreiern. Der junge Mann hatte nicht darum gebeten, bediente sich aber trotzdem. Besorgt erblickte er die geräucherten Würste und den kalten Truthahn, die er möglicherweise hinunterwürgen musste. Er hasste Salziges zum Frühstück.
    Der Dekan fuhr fort: »Man muss wissen, dass es unter unseren Schülern eine Tradition gibt: Sie machen sich einen Spaß daraus, nachts die Schilder zu entfernen, die den Weg zur Universität zeigen. Im günstigsten Fall lassen sie stattdessen Schilder aus eigener Fabrikation in altertümlicher Frakturschrift zurück, die absichtlich unheimlich wirken.«
    Franklin erinnerte sich an das verwitterte hölzerne Rechteck, das in der Nacht aufgetaucht war.
    »Weshalb?«
    »Zunächst einmal, weil sie damit wiederholen, was ihre Vorgänger vor ihnen taten, und dann um diese eitle Haltung zu bedienen, dass sie an einem privilegierten und isolierten Ort in den Wäldern leben, der gar nicht ›geheimnisvoll‹ genug sein kann. Ein Dummejungenstreich verwöhnter Kinder mit zu viel Fantasie. Das Gedankengut mancher junger Leute, die sich gerne als »Freigeister« ausgeben, ähnelt dem kleiner Sekten. Das Fährtenverwischen ist ein Spiel, ein Ritus, der sie sehr amüsiert. Mit der Zeit haben sogar wir es aufgegeben, dagegen anzukämpfen. Aber unseren Besuchern tun wir damit keinen Gefallen.«
    Lewis und Agatha brachen gleichzeitig in Gelächter aus.
    »Ich sage Ihnen das wegen Ihres Umzugs«, fuhr der Dekan, wieder ernst geworden, fort. »Ihre Spediteure werden auf die gleichen Hindernisse stoßen. Ich rate Ihnen, sie vorzuwarnen und ihnen einen Plan zu zeichnen.«
    »Das werde ich tun.«
    Frank schenkte sich unter tausend Vorsichtsmaßnahmen Fruchtsaft ein, so zerbrechlich erschien ihm das Kristall seines Glases. Agatha ließ die üblichen Liebenswürdigkeiten über Franks Mutter einfließen.
    »Lewis hat mir gesagt, sie sei auch eine große Professorin gewesen? Sie muss stolz auf Sie sein. Sie haben eine wunderbare Stelle bekommen für Ihr Alter!«
    »Sie lebt seit zwei Jahren in Arizona.«
    »Ich hoffe, sie kommt uns einmal besuchen.«
    »Das hoffe ich auch.«
    »Welche Seminare für Schriftsteller haben Sie an Ihrer vorherigen Stelle geleitet?«
    »Ich war Assistent von Professor Gramme, der die Abschlüsse in den geisteswissenschaftlichen Fächern an der Universität betreute. Er betraute mich mit der Durchführung von Schreibwerkstätten. Ich habe auch Kurse über Verskunst, Analyse des klassischen Englisch und sogar über angelsächsische Literatur abgehalten.«
    »Frank hat einen Semesterkurs mit dem Titel ›Syntax und Fantasie‹ angeboten!«, berichtete der Dekan. »Ein

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