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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
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solches Thema hätte Ihrem Vorgänger, dem guten alten Mycroft Doyle, gefallen. Sie haben einen Preis erhalten für dieses Seminar, glaube ich?«
    »In der Tat. Aber Professor Gramme war sehr wohlwollend mir gegenüber.«
    »Bah! Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel! Das steht nur Dummköpfen gut zu Gesicht.«
    »Jedenfalls haben Sie ein wundervolles Buch geschrieben«, sagte Agatha. » Die Versuchung des Schreibens . Ich bin beim letzten Kapitel. Ihre Schüler haben es ebenfalls gelesen. Sie sind schon sehr gespannt, Ihre Bekanntschaft zu machen. Sie werden ihnen sehr gefallen.«
    »Danke, Madam.«
    Und in diesem Augenblick ließ der Dekan, ohne dass Frank Zeit gehabt hätte, sich zu wehren, eine Räucherwurst auf seinen Teller gleiten. Resigniert begann Franklin langsam zu kauen wie ein Kind, das seine Portion nicht aufessen will. Er fragte sich, ob seine Gastgeber mit ihrem Gehabe an diesem Morgen einfach nur bei ihm Eindruck schinden wollten oder ob sie wirklich so versnobt und verklemmt waren. Er mochte weder die Dekoration noch das Essen noch Agathas gekünsteltes Lächeln und noch weniger das Schweigen des Dekans, der manchmal so tat, als sei er nicht mehr anwesend.
    Er betrachtete ein imposantes Gemälde an der Wand, das Porträt eines dickbäuchigen Mannes in der Pose eines Welteroberers, dessen zerzauste Haare und Koteletten jedoch von einem englischen Karikaturisten hätten stammen können.
    »Das ist Ian E. Iacobs, Herr und Gebieter über die Ländereien von Durrisdeer«, sagte der Dekan, der Franklins Blick verfolgt hatte. »Ein Industrieller, der in Concord lebte und in der Lederverarbeitung ein immenses Vermögen gemacht hat.«
    »Hat er die Universität gegründet?«
    »Genau. Er war ein Kapitalist seiner Zeit, das heißt heute nicht gesellschaftsfähig, aber er war tatsächlich etwas übergeschnappt. Iacobs beschloss noch zu Lebzeiten, diese Schule zu gründen, stiftete einen Teil seiner riesigen Ländereien und überwachte selbst die Planung des Baus. Die ersten Klassen wurden in seinem Schloss untergebracht. Er hatte eine sehr entschiedene Vorstellung von dem, was er zu schaffen wünschte. Im Übrigen hat er seine Vorschriften schriftlich niedergelegt und wir halten uns noch heute daran.«
    »Wirklich?«, fragte Franklin überrascht. »Eine Art Ordensregel?«
    Der Dekan lächelte.
    »Nicht wie in einem Kloster! Es handelt sich um eine Charta von Prinzipien, sonst nichts. Iacobs wollte 1885 einen sicheren Hafen für die Jugend schaffen. Er ahnte, dass die Erziehung der jungen Leute schon bald ihre humanistische Prägung einbüßen und unter das Diktat der Industriekapitäne fallen würde. Er sah den Tag kommen, an dem eine bestimmte Eisenbahngesellschaft, die einen bestimmten Ingenieurstyp für eine bestimmte Produktion in Südamerika brauchte, die eine oder andere Klasse subventionieren würde, um ihre Bedürfnisse zu decken. Unter dieser Prämisse würde man keine Eliten mehr ausbilden, sondern Industriemanager. Das war es, was Iacobs fürchtete. Das Paradoxe daran ist, dass diese Charta von 1885, die die Welt des Kommerzes aus seiner Schule ausschließt, heute aktueller ist als damals. Durrisdeer ist eine Universität, die gegen den Strom der gängigen Verwaltungspolitik schwimmt. Wir stehen nicht unter der Knute eines Mäzens, unsere Aktionäre sind ehemalige Schüler oder ihre Nachkommen. Wir weigern uns, wen auch immer für welchen Arbeitsmarkt auch immer gezielt auszubilden. Wir erteilen einen freien und interessensunabhängigen Unterricht.«
    »Wir befinden uns also auf den Ländereien eines Exzentrikers aus dem 18. Jahrhundert?«
    »Iacobs starb 1905. An diesem Tag ging der gesamte Grund und Boden in den Besitz des Colleges über. Wie Sie sicher schon bemerkt haben, lebt Durrisdeer auf großem Fuß. Sie werden nirgendwo eine Lebensqualität finden, die mit der in unserem Dorf der Professoren vergleichbar ist, und zwar in allen Universitäten des Landes. Das ist ein großes Privileg.«
    »Das glaube ich gerne. Das Haus von Mycroft Doyle ist großartig.«
    »Nennen Sie dieses Haus doch nicht das von Mycroft Doyle! Es ist jetzt Ihres, Franklin. Es ist das Haus von Frank Franklin.«
    »Äh, ja … natürlich.«
    Der qualvolle Kampf mit der lauwarmen Wurst neigte sich dem Ende zu.
    Emerson war offenbar zu der Überzeugung gelangt, er könne seine Rechte wieder in Anspruch nehmen, und zündete sich seiner Frau zum Trotz eine Zigarette an.
    »Meine Tochter Mary wird Ihnen das Anwesen

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