Kein Entrinnen
jedem, der sein Glück in der schreibenden Zunft versuchen wollte, erzählen, was dazu notwendig war, er selbst aber war blockiert, sowie er seine eigenen Ratschläge befolgen wollte. Er war unfähig, etwas zustande zu bringen, das ihm gefiel.
Franklin kannte sein Problem, wenn er vor der Schreibmaschine saß: Er konnte sich noch so sehr den Kopf zerbrechen, er fand kein Thema . Ideen, ja, haufenweise. Aber ein Thema! Etwas, das einen an das jungfräuliche Papier fesselte und nicht mehr losließ …
An diesem Tag jedenfalls verschob er sein Werk wieder einmal auf später und verbrachte die restliche Zeit mit der Vorbereitung seiner Kurswoche.
Als er am nächsten Morgen seinen Kaffee am Küchenfenster trank, sah er, wie der Postbote vor seinem Briefkasten haltmachte und einen Umschlag einwarf.
»So früh?«
Er zog sich etwas über und ging nachsehen.
Es war ein Brief seiner Mutter.
»Drei Tage ohne ein Lebenszeichen von mir, und schon schickt sie besorgte Rauchzeichen ab.«
Aber das war nicht alles. Unten im Briefkasten entdeckte er einen dicken blauen Umschlag. Ohne Briefmarken. Nur: Für Frank Franklin.
Er kehrte ins Haus zurück. Im Innern des Umschlags befand sich ein etwa zehn Seiten langes Manuskript. Von einem gewissen Ross Kellermann, einem seiner Schüler.
Hier die Arbeit, um die Sie uns gestern gebeten haben. Ich ziehe es vor, sie Ihnen auf diese Weise und nicht vor aller Augen zukommen zu lassen. Seien Sie bitte diskret.
Frank schlug die erste Seite des Manuskripts auf und las den Titel:
DIE ERMORDUNG VON MYCROFT DOYLE
Frank lächelte. Er hatte um eine Überraschung gebeten … Das war gelungen! Er las die ersten Zeilen durch.
Sein Lächeln verschwand und kehrte während der gesamten Lektüre nicht wieder zurück.
»Was ist das für eine Geschichte?«
Frank Franklin legte das Manuskript auf den Schreibtisch von Dekan Emerson. Dieser las:
DIE ERMORDUNG VON MYCROFT DOYLE
Er seufzte kopfschüttelnd.
»Anfänglich glaubte ich an eine amüsante Fiktion«, sagte Franklin, »eine Schülerposse. Ich hatte sie um eine Originalarbeit für unseren ersten Kurs gebeten. Und Ross Kellermann legt mir dieses Ei ins Nest!«
»Und weiter?«
»Und weiter behauptet er ausdrücklich, dass der alte Doyle nicht an einem Aneurysma starb, sondern an einer echten Vergiftung, begangen von einer Handvoll seiner Schüler. Alles sehr romanhaft, das gebe ich zu, abgesehen davon, dass der Verfasser dieser Seiten mir zu verstehen gibt, wo ich die Beweise für seine Behauptungen finde!«
»Beweise?«
Emerson verschränkte die Arme. Franklin blieb stehen und schritt in dessen Büro auf und ab.
»Doyle wurde mit einer Mischung aus Nikotin und Dypax vergiftet. Eine bei alten Rauchern wie Doyle praktisch nicht nachweisbare Mixtur. Ich gehe zur Krankenstation, und siehe da, Miss Dairy stellt auf mein Nachfragen hin fest, dass das einzige Fläschchen Dypax, das sie besitzt, tatsächlich verschwunden ist, wie es in dem Text heißt. Auf Seite vier ist davon die Rede, dass Doyle an einem bestimmten Ort im Wald gefoltert worden sei. Ich gehe dort hin und finde alles so vor wie geschildert, bis zu den Bluttropfen auf dem Baumstamm, an den er gefesselt war!«
Frank holte aus seiner Tasche ein Plastiksäckchen hervor, das ein Stück Baumrinde enthielt, und warf es vor Emerson hin.
»Der Knebel, mit dem man ihn zum Schweigen brachte? Seine blutbefleckten Kleider? Ich habe auch die Blechtonne gefunden, in der sie verbrannt wurden! Es sind noch identifizierbare Fetzen übrig!«
»Kellermann schreibt das alles?«
»Ja. Alle Indizien, von denen er spricht, wurden von den Mördern sorgsam verborgen. Ohne seinen Text wäre es ganz einfach unmöglich gewesen, ihrer habhaft zu werden! Aber der Junge bleibt vorsichtig, er will nicht das gleiche Schicksal erleiden wie der Alte. Er hat mir unumwunden gestanden, dass er an der Sache beteiligt war! Das ist eine Schule von Übergeschnappten, die Sie hier haben, Emerson! Seien Sie doch bitte so nett, das Telefon abzuheben und auf der Stelle die Polizei zu verständigen!«
Der Dekan rührte sich nicht. Er hatte keine Miene verzogen während Franklins Tiraden.
»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?«, setzte der Professor nach. »Lesen Sie! Doyle war ein Irrer, der mit seinen Schülern Drogen nahm und abartige Sitzungen in Schwarzer Magie abhielt … Er benahm sich wie ein Guru! Gott weiß, was Kellermann in seinem Text verschweigt! Der Junge ist der Jüngste in der
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