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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
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Klasse, er ist entsetzt über das, was er getan hat …«
    »Das kann ich mir gut vorstellen …«
    »Was? Was können Sie sich vorstellen? Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben?«
    »Ja.«
    Emerson blickte mit der gleichgültigsten Miene der Welt zur Decke.
    »Dabei habe ich sie doch gebeten, Sie in Frieden zu lassen. Wenigstens dieses eine Mal.«
    »Mich? Wovon sprechen Sie?«
    Emerson lächelte.
    »Von einer kleinen Gruppe von Schülern, Unverbesserlichen, die wir den Klub der Schreiber nennen.«
    »Den was?«
    Emerson ermahnte Frank sich zu beruhigen und Platz zu nehmen.
    »Das ist eine weit zurückreichende Tradition in Durrisdeer, ein sehr exklusiver Literatenkreis. Fragen Sie mich nicht, wer dazu gehört, die Verantwortlichen der Universität wissen es nie. Es handelt sich um eine verschworene Gemeinschaft, die seit Gründung der Universität durch Iacobs besteht.«
    »Was hat das mit mir zu tun? Was hat das damit zu tun?«
    Frank zeigte auf das Manuskript.
    »Sie sollten einmal in Erwägung ziehen, dass man sich einen klassischen Begrüßungsscherz mit Ihnen erlaubt«, sagte der Dekan.
    »Einen Begrüßungsscherz?«
    »Ursprünglich verfolgte der Klub der Schreiber das Ziel, bestimmte große Kapitel der Literatur zu ›überprüfen‹.«
    Franklin schüttelte den Kopf.
    »Ich verstehe nicht.«
    »Warten Sie«, erwiderte Emerson. »Die Mitglieder des Klubs der Schreiber spielen bestimmte Szenen aus berühmten Romanen nach, um zu sehen, ob sie glaubwürdig sind. Es ist wie ein Spiel. In Lebensgröße. Sie wenden viel Zeit und Mühen auf, um alles identisch nachzustellen: den scheinbaren Tod des Erben von Ballantrae von Stevenson, die Szene mit den mit Blut gefüllten Schläuchen aus den Metamorphosen des Lucius Apuleius … Wie es heißt, soll es einem Schüler sogar gelungen sein durch seine perfekte Verkörperung des Bartleby von Melville einem Notar aus Concord das Leben zur Hölle zu machen.«
    »Und niemand weiß, wer sie sind?«
    »Die Professoren? Das Rektorat? Nein, niemals. Die Mitglieder wählen sich gemeinsam von einem Jahr zum nächsten. Ich schwöre Ihnen, dass ich heute nicht in der Lage wäre, einen einzigen Schüler mit Bestimmtheit zu nennen. Wie dem auch sei, Sie sind beileibe nicht der Erste, der Opfer einer ihrer Willkommenspossen wird. Der arme Joseph Atchue, ein Griechischlehrer, wurde mit der furchterregenden Vortäuschung eines Spukhauses empfangen. Er war überzeugt, dass die Seele des großen William Blake, eines Freundes der Familie Iacob, unter seinem Dach spukte! Für Sie führen sie das Theaterstück des von seinen Schülern ermordeten Vorgängers auf. Das ist originell. Aber das alles ist einzig eine Sache der Tradition. Ich habe gehört, dass die Militärs an der Akademie von Westpoint mit ihren neuen Rekruten das Gleiche machen: Fehlalarme, bizarre Ausrückbefehle, gefälschte Pentagonberichte und so weiter. Ich muss hoffentlich nicht bis zu den Saturnalien zurückgehen, damit Sie begreifen!«
    Doch Frank Franklin wirkte nicht überzeugt. Immerhin lag die blutdurchtränkte Rinde auf dem Tisch, und Kellermanns Verzweiflung war offenkundig.
    »Sie glauben mir nicht?«, fragte der Dekan. »Nun, gehen Sie ruhig zur Polizei, ich halte Sie nicht auf. Sie werden dann mit Sicherheit sehen, dass dieses Blut von einem Tier aus der Gegend stammt, dass die Kleidungsstücke nichts mit Doyle zu tun haben und was weiß ich sonst noch alles! Kurz, machen Sie genau das, was der Klub von Ihnen erwartet, und verhelfen Sie ihnen zu einem triumphalen Erfolg!«
    Emerson brach in Gelächter aus. Er fügte hinzu: »Dabei habe ich vor Ihrer Ankunft alle Schüler darauf hingewiesen, dass ich keine derartigen Geschichten mit Ihnen wünsche. Wir sind bereits im Verzug mit dem Semester und dürfen keine Zeit mit diesen Albernheiten verlieren. Wenn ich Ihr Gesicht heute so vor mir sehe, dann haben sie wohl nicht auf mich gehört!«
    Franklin war sich nicht sicher, ob er das Ganze ebenso erheiternd fand wie der Dekan.
    Ihm fiel vor allem auf, von welch schrecklich schlechtem Geschmack die Sache zeugte.
    »Das sind doch Idioten!«, rief er aus.
    »Wenn Sie so wollen …«
    »Ich werde herausfinden, wer sie sind.«
    »Vergeuden Sie nicht Ihre Zeit damit. Niemandem ist das je gelungen. Regen Sie sich nicht auf! Sagen Sie Kellermann, dass ich Ihnen alles gestanden hätte und dass die Sache nun ein Ende hätte. Sie werden herzhaft darüber lachen.«
    Der Club der Schreiber?
    Franklin war verärgert.

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