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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
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um sie zu sezieren und ihre anatomischen Kenntnisse zu vervollständigen. Nicht um der Heilkunst willen, sondern nur, um ihre Skulpturen oder Zeichnungen des menschlichen Körpers zu perfektionieren. Ihre Kunst! Diese Art von Spinner meine ich. Die zu allem fähig sind. Professor, sagen Sie mir, ob auch dieser Ben O. Boz, von Beruf Krimiautor, sich nicht mit seiner Fantasie begnügte !«
    Franklin betrachtete den Stapel Bücher und die sieben Aktenordner, dann wandte er sich wieder Sheridan zu.
    »Das ist ein ziemlich … ungewöhnliches Ansinnen. Haben Sie wirklich Hinweise darauf, dass Boz …«
    Sheridan zeigte auf die Akten.
    »Irgendetwas da drin stimmt nicht. Sonst stünde ich nicht vor Ihnen.«
    »Und Sie glauben, dass …«
    »Ich glaube gar nichts. Es ist nicht meine Art, mich vorzuwagen. Ich bitte Sie um eine kompetente Meinung. Eine professionelle, literarische und nicht polizeiliche Lektüre. Sind Sie dazu bereit?«
    Franklin schob seine Brille auf die Haare hoch.
    »Warum wenden Sie sich an mich? Es gibt andere emeritierte Professoren, in diesem Staat oder anderswo, andere, besser qualifizierte Fachleute, so scheint mir. Und das FBI weiß sicherlich auch, wie man sich ihrer bei Bedarf bedienen kann.«
    Sheridan hob wieder sein Buch hoch.
    »Was ich von Ihnen in Bezug auf Boz erbitte, ist genau das, was Sie bei Ihren klassischen Autoren versucht haben: sie durchschauen, aufzeigen, inwiefern ihr Werk ihr Alltagsleben widerspiegelt und umgekehrt. Unterschätzen Sie sich nicht, Franklin, ich habe Sie gelesen. Sie sind ein ausgezeichneter Profiler von Romanschriftstellern. Und genau auf diese Fähigkeit bin ich heute angewiesen.«
    Franklin griff nach dem ersten Roman auf dem Stapel: Die Leute von Portsmouth .
    »Und wie haben Sie mich gefunden?«, fragte er.
    Sheridan legte eine Ausgabe des Concord Globe vom letzten Februar auf den Schreibtisch, in der die Ankunft des jungen Franklin in Durrisdeer angekündigt wurde, die gleiche, die Louis Emerson während des Frühstücks präsentiert hatte.
    »Nichts als Lobeshymnen«, sagte der Cop zu ihm. »Also?«
    »Also, ich verspreche Ihnen, das alles zu lesen, in Ordnung.«
    »Mehr verlange ich nicht von Ihnen. Aber das alles muss unter uns bleiben!«
    Der Professor trat aus dem Schloss, um seinen Kurs abzuhalten, und der Colonel verließ nachdenklich Durrisdeer. Er wusste, dass er über das Rätsel der vierundzwanzig Leichen im Dunkeln tappte. Seit Wochen schon. Aber er kam vorwärts. Nun bat er den Himmel, er möge sich nicht geirrt und nicht auf das falsche Pferd gesetzt haben.

2
    »Was liest du da?«
    Frank Franklin lag auf seinem Bett und Mary Emerson streckte sich nackt neben ihm aus. Sie lag auf dem Bauch und stützte sich, das Gesicht in die Hände gelegt, auf ihre Ellbogen auf. Ihre gekreuzten und angewinkelten Beine wippten über ihrem Po auf und ab. Die junge Blondine war unwiderstehlich.
    Beide waren seit einigen Wochen heimlich ein Paar in Durrisdeer.
    »Ich lese einen Krimi von Ben O. Boz«, antwortete Frank.
    »Kenn ich nicht. Ist er gut?«
    »Eher zäh. Zieht sich in die Länge.«
    »Warum liest du dann weiter?«
    Sie zerzauste seine Haare, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.
    »Ich suche nach etwas«, erklärte er ihr. »Für meine Kurse vielleicht …«
    Auf seinem Nachtkästchen lagen die anderen Bücher von Boz und versteckt die sieben Ordner, die ihm Colonel Sheridan überreicht hatte. Ein Notizbuch und einen Bleistift stets zur Hand sah er sie der Reihe nach durch.
    »Ich bin vorhin in deinem Büro vorbeigegangen«, fuhr Mary fort, drehte sich auf dem Kopfkissen um und schob dabei eine Hand unter ihren Nacken. »Die Schreibmaschine hat noch immer keine neue Seite bedruckt. Du könntest sie ebenso gut unter der Abdeckhaube verstecken.«
    Frank lächelte.
    »Du redest ja wie meine Mutter.«
    »Man muss dich wirklich aufrütteln, sonst fängst du deinen Roman nie an! Auch wenn das mit dir und mir einstweilen noch hypothetisch ist, ich stelle mir lieber vor, dass ich eine Beziehung zu einem Romanschriftsteller aufbaue als zu einem Universitätsprofessor! Ich habe die Nase gestrichen voll von diesen Leuten …«
    Sie drehte sich auf die Seite und trommelte mit den Fingern auf Franks Rücken wie auf die Tasten eines Klaviers oder einer Schreibmaschine.
    »Inspiriere ich dich nicht?«
     
    Etwas an all dem störte ihn.
    Frank verglich sorgfältig die von Sheridan markierten Romanpassagen und dann ihre Entsprechungen in den Ermittlungsakten der

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