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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
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flüchtiger, aber unübersehbarer Ausdruck der Beunruhigung huschte über das Gesicht des Dekans. Sheridan spürte, wie die Hand des Mannes zwischen seinen Fingern auf der Stelle schlaff wurde und beinahe alle Festigkeit verlor. Der Cop zeigte die Marke der Polizei von New Hampshire in ihrem klappbaren Etui vor.
    »Stimmt etwas nicht, Colonel?«, fragte der Dekan ungehalten. »Ich meine … Hier, in meiner Universität?«
    »Ich würde mich gerne mit Mr. … Warten Sie.«
    Sheridan holte ein extra flaches Notizbuch aus der Manteltasche. Ein vielfach bewährter Trick: die schweigende Kunstpause des Polizeibeamten. Wie kurz sie auch war, sie reichte, damit sich jedem Gesprächspartner die Haare sträubten und er daran erinnert wurde, wer im Augenblick das Sagen hatte.
    »Frank Franklin«, sagte er zu ihm. »Er arbeitet hier als Professor, nicht wahr?«
    Auf dem Gesicht des Dekans spiegelte sich Verblüffung bei der Nennung dieses Namens.
    »Gewiss. Gewiss!«, stieß er hastig hervor. »Frank ist seit bald drei Monaten hier bei uns in Durrisdeer. Wir sind mit seiner Arbeit zufrieden. Aber … hat er Probleme?«
    Sheridan begnügte sich mit einer erneuten Frage.
    »Kann ich ihn sehen? Hält er nicht Unterricht um diese Zeit?«
    Der Dekan warf einen Blick auf die große Standuhr, die rechts von der Eingangstür thronte.
    »Nein«, antwortete er. »Weiß er wenigstens über Ihr Kommen Bescheid?«
    Der Dekan wirkte aus einer ganzen Reihe von Gründen sorgenvoll. Er fühlte, wie der Wind sich drehte, und war bereits überzeugt, dass ein schrecklicher Skandal über Durrisdeer hereinbrechen würde.
    »Er weiß Bescheid«, antwortete Sheridan trocken. »Jedenfalls habe ich ihm heute Morgen eine Nachricht hinterlassen. Er hat sich nicht bei mir gemeldet seitdem.«
    »Ich verstehe.«
    Ein Schweigen senkte sich zwischen die beiden Männer. Der Blick des Dekans sagte: »So leicht lasse ich mich nicht über den Tisch ziehen.« Der des Polizisten antwortete: »Beeilen wir uns!«
    Es war der Dekan, der nachgab.
    »Folgen Sie mir, Colonel.«
    Er ging voraus und stieg die Treppe hoch, dabei holte er eine Zigarette aus einem zerknitterten Päckchen Pall Mall hervor. Als er an der letzten Stufe ankam, hatte er sie bereits mit einem einzigen Zug stark schrumpfen lassen.
    Der Dekan führte Sheridan in das Stockwerk mit den Büros der Professoren. Sie begegneten der jungen Mary Emerson, die überrascht die verstimmte Miene ihres Vaters sah, jedoch nichts dazu sagte.
    Hinter der Tür mit seinem Namensschild saß Frank, über die Arbeiten seiner Studenten gebeugt, an seinem Arbeitstisch. Der junge Mann setzte ungefähr die gleiche verblüffte Miene wie der Dekan auf, als er von der Anwesenheit des Polizeibeamtem erfuhr, und seine Verblüffung wurde noch größer, als Emerson ihm mitteilte, dass dieser vor allem gekommen sei, um mit ihm zu sprechen.
    Er hatte Sheridans telefonische Nachricht nicht erhalten.
    Instinktiv ging er in Deckung.
    »Ich lasse Sie jetzt allein«, murmelte der Dekan leicht bedauernd. »Sagen Sie mir, dass ich keinen Grund zur Sorge habe, Frank, alles in Ordnung?«
    »Äh … ja, alles in Ordnung. Herr Dekan. Jedenfalls soweit ich weiß.«
    Der Professor blieb verlegen stehen, nachdem der Dekan das Zimmer verlassen hatte. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er musterte Sheridan: seine beeindruckende Größe, seine Narben im Gesicht, seine natürliche Autorität und diesen Mantel, der seine Gestalt noch größer wirken ließ. Er hatte die Schultern eines Hafenarbeiters oder eines Harpuniers aus Nantucket. Dieser Typ musste je nach Situation entweder ein unglaubliches Gefühl von Sicherheit oder eine unerträgliche Angst einflößen.
    Der Cop wiederum hatte sich bereits eine Meinung über den Professor gebildet. Franklin trug eine helle Jeans und einen bordeauxroten Rollkragenpullover, die Ärmel waren hochgeschoben und an den Ellbogen mit Lederflecken verstärkt. Die Brille und der ein paar Stunden alte Bart machten ihn kaum älter. Sein blonder Lockenkopf verlieh ihm das zarte Antlitz eines Engels. Der Polizist hielt ihn für intelligent, mit Sicherheit gewitzt, wenn er das Gefühl hatte, sich verteidigen zu müssen, zugleich aber auch neugierig und aufmerksam, was ein gutes Zeichen war. Das Zimmer war penibel und methodisch aufgeräumt. Auch das gefiel ihm.
    Der Colonel stellte seine Tüte auf den Boden und setzte sich, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Der Professor tat es ihm nach.
    »Mein Kommen

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