Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
Vom Netzwerk:
seine Aufgabe, solche Dinge zu wissen.«
    Unwillkürlich dachte Franklin erneut, dass Sheridan sich in eine ausweglose Theorie verrannte. Offensichtlich steigerte er sich in den Fall seines Mörders hinein, um ihn dann überall zu sehen! Für diese Art von Wahnidee gab es eine griechische Bezeichnung, aber Franklin erinnerte sich nicht daran.
    »Das sind zufällige Übereinstimmungen!«, beharrte er in jenem Ton, in dem man mit den verstocktesten Schülern spricht. »Ich glaube beinahe, dass so etwas permanent vorkommt. Nehmen Sie einen x-beliebigen Schriftsteller aus diesem Genre. Wenn Sie ein bisschen kratzen würden, ließen sich mit Sicherheit Entsprechungen zwischen seiner Fantasie und der Realität entdecken. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Inspiration letztlich auf etwas Lebendiges stößt. Aber das ist dann Glück. Zufall.«
    »Zufall?«
    Sheridans Stimme war lauter geworden.
    »Zufall«, wiederholte er. »Von mir aus. Aber ab wie vielen zufälligen Übereinstimmungen hört Ihrer Meinung nach der Zufall auf und die - nennen wir es - Manipulation beginnt?«
    Franklin schüttelte wieder den Kopf. Dieser Einwand war nicht stichhaltig.
    »Eine zufällige Übereinstimmung?«
    Sheridan kehrte an seinen Schreibtisch zurück, griff nach einer abgewetzten Tasche aus Kalbsleder und öffnete sie.
    »Die Polizei konnte nur zwei Hypothesen zum Massaker an den vierundzwanzig aufstellen«, führte er aus. »Erstens die Möglichkeit eines von einer Sekte durchgeführten Kollektivopfers. Zweitens ein ähnlicher Typ von Massenselbstmord, der jedoch in diesem Fall von Foren oder Vereinigungen im Internet organisiert wurde, die das Recht auf Selbstmord verteidigen. Und jetzt sagen Sie mir, welche Schlüsse Sie im Lichte dessen, was ich Ihnen beim letzten Mal in Ihrem Büro über Boz und heute Morgen über die sorgfältige Inszenierung der vierundzwanzig gesagt habe, aus dieser Tatsache hier ziehen?«
    Er holte ein Papier hervor.
    »Meine ›zufällige Übereinstimmung‹ veröffentlicht in knapp zwei Monaten einen Roman. Vergessen Sie nicht, dass er vielleicht seine eigenen Verbrechen zu Papier bringt, dass er aus diesen absichtlich begangenen Horrortaten einen Roman macht. Im Augenblick ist bedauerlicherweise nur der Titel des Buchs bekannt.«
    Er reichte ihm den Zettel der Computerrecherche einer Buchhandlung in Concord.
    Frank Franklin las:
     
    Ben O. Boz
Der Kreis der Selbstmörder
     
    » Da haben Sie’s«, sagte Sheridan ohne Triumph.

6
    Macaulay Hornbill, 19 Jahre alt, rothaarig, pfiffig und ideenreich, war der Student im zweiten Jahr Kreatives Schreiben, der am vergangenen Freitag während des morgendlichen Jogginglaufs in Durrisdeer verschwunden war.
    Am Spätnachmittag desselben Tags, nach den Zwischenprüfungen, leerte sich die Universität vor dem kommenden Osterwochenende. Der Junge tauchte erst am Dienstagmorgen wieder auf. Immer noch in Joggingkleidung, schlammbedeckt, mit einem gebrochenen Knöchel, dehydriert und erschöpft bis aufs Äußerste. Starr vor Entsetzen.
    Der Einführungsritus des Klubs der Schreiber war restlos danebengegangen.
    Als die drei Verschwörer sahen, dass ihr Kandidat seine Aufgabe nicht wie geplant bis zum Frühstück am Freitag erfüllte, waren sie zunächst nicht beunruhigt und machten sich nur bis zum Abend über ihn lustig. Erst bei Einbruch der Nacht begannen sie sich Sorgen zu machen. Sie verzichteten darauf, Durrisdeer zu verlassen, um ihre Familien zu besuchen, bewaffneten sich stattdessen mit Taschenlampen und verbrachten die Nacht damit, die unterirdischen Gänge bis in die hintersten Winkel des Geländes zu durchkämmen. Seit jeher kursierte das Gerücht, dass es rund um das Schloss von Iacobs mehr als zwei Kilometer verborgene Gänge gebe. Der größte Teil dieser Tunnel war das Werk von Generationen von Mitgliedern des Klubs der Schreiber, die das bescheidene ursprüngliche Netz erweitert hatten. Mittlerweile war daraus eine Regel geworden: Jeder Jahrgang musste neue Tunnel schaffen und sie mit einem selbst gewählten Motto, einer Lieblingsepoche oder dem Jahrgangssymbol verzieren.
    Doch Hornbill blieb unauffindbar.
    Verblüfft setzten die drei Jungs ihre Nachforschungen am Morgen des nächsten Tages im Wald und in jenen staubigen Sälen des Schlosses fort, die mit dem »Netz« verbunden waren. Ohne dabei erwischt zu werden oder Alarm zu schlagen.
    Auch die zweite Nacht durchwachten sie in der gleichen fieberhaften Unruhe. Inzwischen war bekannt geworden, dass der

Weitere Kostenlose Bücher