Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
Vom Netzwerk:
Bahrenträger, ziviles Notarztteam, neugierige Journalisten, Hubschrauberpiloten, D-MORT, Milton Rock oder Bewohner des SR-12 waren zu dem gleichen Eid gezwungen worden, den sie schriftlich bestätigen mussten. Wenn einer ein Wort darüber verlöre, so käme das auf der Stelle einem Bundesvergehen gleich. Gefolgt von einem sofortigen Gefängnisaufenthalt ohne Prozess. Plus Verlust der bürgerlichen Rechte. Die Männer der Staatspolizei und des Sheriffs, die bereits vereidigt waren, erhielten lediglich ein vertrauliches Rundschreiben. Das aber noch drakonischer klang.
    Infolgedessen machte niemand den Mund auf.
    Das Leben des jungen Franklin nahm eine radikale Wendung. Und die leise innere Stimme, die ihn vor der Gefahr hätte warnen und mit ihrer sanften Musik zurückhalten sollen, wurde übertönt von den intensiven psychologischen Vorbereitungen und den verlockenden Chancen, die mit der Mission verbunden waren.
    In seinem Büro öffnete Frank den schwarzen Ordner des FBI. Er musste noch einmal durchgehen, was er über Boz, über seine Jugend, seine Beziehungen und sein Werk gehört hatte.
    Nach Ablauf einer Stunde klingelte sein Telefon. Der einzige Apparat oben befand sich in seinem Schlafzimmer. Frank erwartete, Mary zu hören, doch es war Miss Lisl Wang, die Verantwortliche für die Tests und Simulationen, denen der Professor unterzogen wurde. Unter ihrer Anleitung bereitete er sich auf seine Unterredung mit Boz vor.
    »Monsieur Frank«, sagte die kleine Asiatin mit ihrer humorlosen Soldatenstimme, »unser Termin morgen wird um eine halbe Stunde vorverlegt.«
    »Warum?«
    »Sie müssen ein neues Protokoll lernen.«
    Nach drei Tagen waren Protokoll und Evaluation die beiden dominierenden Worte in seinem neuen Leben geworden. Die Kompliziertheit der Prüfungen verbannten die berühmten Tintenflecken des Rorschachtests in die prähistorische Phase der therapeutischen Methoden.
    »Gut, ich werde da sein«, sagte Franklin.
    »Ich habe einen neuen Fragebogen in den Ordner gesteckt, den Sie erhalten haben«, fügte Wang hinzu. »Bitte füllen Sie ihn bis morgen aus.«
    »Wird gemacht.«
    Wang dankte ihm und hängte ein.
    Frank ging in die Küche, um sich ein Bier zu holen. Er warf einen prüfenden Blick durch das Fenster, um zu sehen, ob die Bundespolizisten wirklich abgefahren waren. Es wurde dunkel. Man konnte fast nichts mehr erkennen. Der schwarze Wagen war nicht mehr da. Aber waren sie noch in der Gegend? Es stand außer Zweifel, dass Granwood ihn nun, da er ein wesentliches Element der Ermittlungen war, überwachen ließ. Selbst wenn die beiden Agenten verschwunden waren, schloss das nicht aus, dass ein Spitzel sich im nahen Wald versteckte oder bei ihm Wanzen angebracht waren. Er dachte an Marys Akte. Sie hatten bestimmt weitere Akten über seine Mutter, seine Freunde in Chicago und alle Professoren von Durrisdeer angelegt …
    Sheridan hatte ihn kurz nach Boz’ Anruf und den ersten Anordnungen, die Melanchthon im Hinblick auf ihn getroffen hatte, gewarnt.
    »Regen Sie sich nicht auf, Professor, der Paranoia entkommt man nicht. Sie werden alle Phasen der Angst und des Zweifels durchmachen. Ein echter Ausflug in trübe Gewässer. Da heißt es robust sein, Franklin!«
    Gut. Franklin, der »widerstandsfähige«, stieg mit seinem Bier in sein Arbeitszimmer hinauf.
    Er fand Miss Wangs Fragebogen. Eine weitere Reihe von Multiple-Choice-Fragen, die er durch Ankreuzen von Kästchen beantworten musste, ziemlich durchsichtige Manöver, um in Franks Unbewusstem die Grenze zwischen Gut und Böse zu erkennen und abzuschätzen, wie groß die Wahrscheinlichkeit war, dass er rebellierte oder aufgab, wie weit bei seiner Mission Verlass auf ihn war. Vollkommen banale Fragen, die jedoch zusammengenommen, so hieß es, eine sehr zuverlässige Auswertung ermöglichten.
    Gerade als er den Multiple-Choice-Fragebogen zur Hand nehmen wollte, trommelte Mary an seine Tür. Er ging hinab, um ihr zu öffnen, umarmte sie und bat sie, einen Augenblick zu warten, bis er mit seinen Notizen für ein neues Kapitel seines Buchs fertig wäre.
    »Warum verriegelst du deine Tür denn mit dem Schlüssel?«
    »Das ist mir gar nicht aufgefallen …«
    Das junge Mädchen ging in die Küche und machte es sich dann vor dem Fernsehgerät im Wohnzimmer bequem. Frank sperrte sofort die Tür zu seinem Büro zu, als er oben angekommen war. Er kreuzte alle Kästchen für Miss Wang an und schloss die Akte mit ungutem Gefühl. Bevor er wieder nach unten ging,

Weitere Kostenlose Bücher