Kein Entrinnen
Jahren, drei Pleiten. Der Verleger erzählte, er habe damals um die geistige Gesundheit seines Schützlings gefürchtet. Der Autor verstand einfach nicht, weshalb seine Bücher keinen Erfolg hatten. Er war kurz davor, alles hinzuschmeißen. Die beiden Männer zerstritten sich wegen dieser Enttäuschung. Abelberg hatte nie wieder mit ihm zu tun.
Im Jahr darauf veröffentlichte Boz andernorts Die Dreierregel , einen kurzen Roman. Die Geschichte eines Mannes, der von seiner eifersüchtigen Frau gefangen gehalten wird und an Hunger und Durst stirbt.
Die Stelle über Boz’ Mutter hatte Franklin zu denken gegeben. Die Interpretation der FBI-Spezialisten konnte zutreffend sein: ein erster Mord als Auslöser, ein verschüttetes Familiengeheimnis. War ihm die Sache mit zehn Jahren bereits bewusst gewesen? Hatte er diesen Zweifel bis zum Tod seiner Mutter mit sich herumgetragen? War es für ihn so etwas wie ein … heilsamer Schock gewesen, dass sie unwiderruflich straffrei ausging? Eine Offenbarung?
Über die aktuelle Situation von Ben O. Boz lagen nur summarische Erkenntnisse vor. Er lebte alleine in seinem großen Haus in Dovington. Er hatte nicht einmal Hauspersonal. Von Zeit zu Zeit einen Gärtner, doch sie sprachen nie miteinander. Drei Hunde. Über die interne Organisation seines Haushalts war so gut wie nichts bekannt.
»Sie werden unser erster Blick dort hinein sein, Franklin. Sperren Sie die Augen auf!«, hatte Ike Granwood zu ihm gesagt.
Seit seinem Besuch im Haus Paquito & Saunday Books in New York und den knappen Enthüllungen des Verlegers grübelte Frank über den Ursprung von Boz’ Vermögen und die Finanzierung seiner Romane nach. Sein Anwesen war viel zu imposant, um die Frucht seiner Autorenhonorare zu sein.
Eine Seite in der Akte gab ihm schließlich Aufschluss darüber.
Seine Frau. Carol Sandra Pinkus. Geheiratet 1989. Eine steinreiche Familie.
»Ich möchte wetten, dass sie über die Klinge gesprungen ist, die Arme …«
In der Tat. Eineinhalb Jahre nach ihrer Heirat. Ein Autounfall. Bald darauf schwamm Boz im Geld ihres Erbteils. Die Untersuchung der Todesursache hatte nichts Verdächtiges ergeben. Der Ehemann von Carol Pinkus wurde nie wegen des Unfalls behelligt.
»Ganz offensichtlich war der Sohn noch raffinierter als die Mutter!«
Aber daran zweifelte ohnehin kein Mensch mehr.
11
Sobald sie das Gelände von Durrisdeer verlassen hatten, steuerte Frank, der am Steuer des BMW saß, nach Süden in Richtung Manchester, der einwohnerreichsten Stadt von New Hampshire. Er nahm die Interstate 93, die den ganzen Staat bis Boston durchquerte. Um 22 Uhr floss der Verkehr kontinuierlich dahin, lange Sattelschlepper fuhren in Kolonnen hintereinander her, Holzlaster zwangen sie von Zeit zu Zeit zum Abbremsen, und Autofahrer überholten sie vorsichtig.
»Und? Wohin fahren wir jetzt?«, fragte die junge Frau.
»Wir werden ein bisschen improvisieren müssen«, lautete Franks rätselhafte Antwort.
Sie sah ihn erneut beunruhigt an.
»Aber um welche Uhrzeit werden wir zurück sein?«
Er lächelte, ohne die Straße aus den Augen zu lassen.
»Am späten Vormittag vielleicht. Morgen.«
Mit einem Ruck fuhr ihr Gesicht zur Windschutzscheibe herum.
»Aber … wir werden auffliegen! … Ich meine, wir zwei … wenn ich nicht zu Hause auftauche …!«
»Das musste so oder so irgendwann kommen. Diese Idee, alles publik zu machen, worüber wir so oft sprechen … nun, heute ist es so weit. Ich übernehme die Verantwortung. Natürlich nur, wenn du einverstanden bist. Ich zwinge dich zu nichts. Noch können wir zurückfahren.«
Schweigen.
Mary fuhr sich mit den Fingern durch die Haare.
»Oh, ich werde einiges zu hören bekommen!«
»Von deinen Eltern?«
»Von meiner Mutter vor allem. Du kennst sie schlecht. Sie ist so falsch wie Margaret White in Carrie .«
»Nun komm schon, du bist mehr als zwanzig Jahre alt. Du kannst machen, was dir passt. Oder?«
»Das Alter spielt bei der Emanzipation der Kinder keine Rolle. Alles hängt von der Persönlichkeit der Eltern ab. Manche wollen einfach nie loslassen …«
Franklin dachte an seine eigene Mutter und musste seiner Beifahrerin in diesem Punkt recht geben.
Mary runzelte die Brauen.
»Hast du dir gut überlegt, was du tust? Das wird dir reichlich Ärger in Durrisdeer einbringen. Du wirst alle Welt gegen dich aufbringen: alle Professoren, die mich haben aufwachsen sehen, meine Familie, die Studenten … Bist du dir dessen bewusst?«
Diesmal
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