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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
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Mutter war Korrekturleserin für einen Verleger, der sich auf Übersetzungen russischer und französischer Romane spezialisiert hatte. Sein Vater gab sich als Drehbuchautor in Hollywood aus; tatsächlich war er ein Versager, der von nicht erfüllten Verträgen und noch nicht angezeigten Plagiaten lebte. Er schlug seine Frau und sein Kind. Der Mann kam 1958 bei einem nicht geklärten Autounfall ums Leben. Boz’ Mutter war damals von der Polizei verhört worden. Doch es konnte kein Beweis dafür erbracht werden, dass sie in den Unfall verwickelt war, bei dem der Ford der Familie von der Straße abkam. In der Gemeinde in Des Moines allerdings war man felsenfest davon überzeugt. Angesichts des vergifteten Klimas nahm die Mutter ihren zehnjährigen Sohn und ging mit ihm nach Kanada. Sie konnte Französisch und so ließen sie sich in Quebec nieder. Der kleine Doornik durchlief eine unauffällige Schullaufbahn in einer kirchlichen Schule in einem Vorort von Montreal. Er war ein eher ruhiges Kind und begann früh, Artikel für die Schülerzeitung zu schreiben. Mit neunzehn schrieb er sich an der Universität von Toronto ein. Wie schon zuvor widmete er der alle zwei Monate erscheinenden Universitätszeitung mehr Zeit als seinem Psychologiestudium. Er schrieb einfach alles: fiktive Erzählungen, Artikel über den Tag der offenen Tür, Filmkritiken, Sportberichte, Gedichte, satirische Notizen, Interviews, sogar die Leserbriefe. Unter dem Pseudonym Fargal sandte er außerdem Kurzgeschichten an amerikanische Literaturzeitschriften. Eine davon wurde 1978 in Asimov’s Magazine veröffentlicht. Am Tag ihres Erscheinens am Kiosk brach Boz sein Studium ab, er war überzeugt, den literarischen Durchbruch geschafft zu haben. Es folgte eine Phase der schöpferischen Produktivität und der Enttäuschungen. Seine folgenden Manuskripte wurden samt und sonders zurückgeschickt.
    Die biografischen Daten über das Leben des jungen Boz entstammten sämtlich der FBI-Vernehmung eines gewissen Simon Abelberg aus dem Jahr 1995, eines New Yorker Juden, der Boz’ erster Verleger werden sollte. An dieser Person führte kein Weg vorbei, wenn es um den Mörder ging. Er hatte ihn als unbezahlten Mitarbeiter des Lektürezirkels in seinem Verlag beschäftigt. Später war er als Korrekturleser in die Fußstapfen seiner Mutter getreten. Abelberg mochte Ben O. Boz. Der junge Mann zog alleine nach New Jersey. Nach einem Jahr bot man ihm gleichsam als Beförderung die Möglichkeit an, belanglose Krimis von aus der Mode gekommenen Stars oder von Industriekapitänen, die mit ihrem Namen glänzen wollten, zu redigieren oder umzuschreiben. Diese undankbare Stelle bekleidete er fast sieben Jahre lang. Abelberg zufolge hatte Boz geschäumt vor Wut darüber, dass er nicht von seinen eigenen Werken leben konnte, und war fassungslos über das erbärmliche Niveau dieser Publikationen gewesen. Doch die Seiten, die er selbst zu Papier brachte, waren allesamt enttäuschend. Der große Wendepunkt, der Dreh- und Angelpunkt, an dem seine berufliche Laufbahn eine entscheidende Wendung nahm, war der Tod seiner Mutter. Ein Tumor. Boz hatte während ihres zwei Wochen dauernden Todeskampfs an ihrer Seite ausgeharrt.
    Die Hypothese des FBI zu diesem Schlüsselereignis lautete, sie habe ihm in ihren letzten Augenblicken gestanden, dass sein Vater wirklich von ihrer Hand gestorben war, und habe ihm erklärt, warum und wie sie bei der Polizei ihren Kopf »aus der Schlinge« hatte ziehen können … Jedenfalls war der Boz, der nach der Beerdigung in Kanada nach New York zurückkam, nach Aussage von Simon Abelberg nicht mehr derselbe Mensch wie zuvor. Er begann mehr zu arbeiten, jedoch ohne sich zu Hause zu vergraben und über seiner Schreibmaschine zu brüten. Vielmehr streifte er durch die Redaktionsräume der Zeitungen, Abteilung Kriminalfälle, durch Polizeireviere, Leichenhallen und Gerichte, durch die Restaurants und Cafés in der Nähe der Einsatzzentralen des FBI und durch die Büros von Privatdetektiven. Er hortete Berge von Notizen und belegte Schnellkurse in Kriminologie. Sein Verleger gab zu, dass seine Geschichten Fortschritte machten. Der Stil blieb platt, aber die Ideen sprudelten. Schließlich willigte er ein, ihn zu veröffentlichen.
    Das erste Buch war nur von untergeordnetem Interesse für die Akte. Seine Hauptperson hieß Ben O. Boz. Ab seinem zweiten Roman zog Clark Doornik dieses Pseudonym dem von Fargal vor. Drei bei Abelberg veröffentlichte Bücher in zwei

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