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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
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Franklin sah unwillkürlich im Geist die Horrorkomposition in Sheridans Büro wieder vor sich, die vierundzwanzig Gesichter von Leichen.
    »Nehmen Sie Platz, Herr Professor. Bitte.«
    Alles war sauber, geradezu auf Hochglanz poliert. Dabei hatte Melanchthon ihn gewarnt: Es gab keine Hausangestellte. Boz lebte allein.
    Der Schriftsteller bot ihm etwas zu trinken an und servierte Franklin auf dessen Bitte hin eine Limonade. Er selbst schenkte sich in einem Whiskyglas einen kleinen Weinbrand ein, den er mit Wasser verdünnte. Es folgten ein paar geistreiche Bemerkungen über Tolstoi und die russische Literatur. Franklin war beruhigt und dachte sich, es könnte sich ebenso gut um eine Verabredung zwischen zwei Literaturbegeisterten handeln, das Normalste von der Welt.
    Boz brach schließlich den Zauber.
    »Wie haben Sie mich gefunden?«
    Es war zugleich eine Frage und ein Vorwurf.
    »Meine Adresse?«, bohrte er nach. »Für gewöhnlich kontaktiert man mich über einen meiner Verleger, der mit einer von mir verfertigten Nachricht antwortet, liebenswürdig zwar, aber abschlägig. Ich schätze es nicht, gestört zu werden.«
    Franklin machte eine Kopfbewegung, um ihm zu signalisieren, wie gut er das verstehen konnte.
    »Es war einer meiner Schüler aus Durrisdeer«, antwortete er. »Seine Eltern wohnen in der Nähe. Als er sah, dass ich eines Ihrer Bücher las, erzählte er mir, dass Sie in Dovington leben.«
    »Hm. Wie heißt er?«
    »Wer?«
    »Ihr Schüler.«
    »Äh … Pullman. David Pullman.«
    Zu seiner großen Überraschung sah Frank, wie Boz ein Notizbuch aus seiner Tasche holte und den Namen aufschrieb! Lügen führte bei ihm schon an und für sich dazu, dass sein Puls sich beschleunigte, aber diese Geste ließ sein Herz einen Schlag lang aussetzen … Dabei gehorchte er nur den Anweisungen von Melanchthon und Miss Wang. Sie hatten sich die Geschichte von dem Studenten, der in der Gegend aufgewachsen war, einfallen lassen.
    Boz hob sein Glas Weinbrand und leerte es beinahe in einem Zug.
    »Sie sagen in Ihrem Brief, dass Sie an einer neuen Studie arbeiten?«
    »Ja. Im ersten Band habe ich mich nur mit Autoren der Vergangenheit befasst. Im Lauf dieses Prozesses sind Fragen in mir aufgetaucht, Fragen, die ich diesen Autoren gerne gestellt hätte, wenn sie mir gegenübergestanden hätten. Melville, Hemingway, Conrad. In erster Linie Fragen nach der Technik.«
    Boz nickte mit dem Kopf. Franklin fuhr fort: »Damals kam ich auf die Idee, diese Fragen, die ich genau notiert habe, zeitgenössischen Autoren vorzulegen. Als ich mir überlegte, wem ich sie stellen könnte, sagte ich mir, da ich Ihre Arbeiten seit einiger Zeit verfolge, dass Sie eine sehr … persönliche Methode haben. Und dass Ihnen ein Platz in dem neuen Projekt gebührt.«
    An dieser Stelle zuckte Boz zusammen und Frank fühlte, wie seine Hände feucht wurden. Er war sich nicht sicher, überhaupt nicht sicher, wie er seine Worte wählen sollte.
    »Meine Methode?«, wiederholte Boz. »Was verstehen Sie darunter, Professor?«
    Bevor er antwortete, nahm Franklin Zuflucht zu einem Schluck Limonade. Er hatte eine trockene Kehle und seine Zunge war schwer. Er vergaß das Glas und trank direkt aus der Dose.
    »Nun, ich meine damit, dass Sie beim Schreiben in einem Maße um Genauigkeit bemüht sind, wie ich es selten woanders angetroffen habe. Falls überhaupt. Das ist das Faszinierende an Ihnen. Ich kann Ihnen in meinem Essay viele Schriftsteller als Gegenbeispiele präsentieren.«
    Er machte erneut eine Handbewegung, um nach seiner Flasche zu greifen und Atem zu holen.
    »Ach ja? Welche Schriftsteller?«, sagte Boz.
    Franklin zuckte mit den Schultern.
    »Es gibt Unmengen davon! Sagen wir, es gibt auf der einen Seite die Träumer und auf der anderen die Realisten. Die Washington Irvings und die William Dean Howells. Das war schon immer so, in allen Ländern und in allen Epochen, aber in dieser Gruppe der Realisten haben es nur wenige gewagt, so weit zu gehen wie Sie. Sehen Sie …«
    Das Beispiel, das er nun anführen wollte, war mit Unterstützung des FBI ausgearbeitet worden.
    »… vor kurzem ging ich mit Ihrem Roman Der Schrumpfkopf ins Krankenhaus von Concord.«
    Boz runzelte unmerklich die Augenbrauen. Der Koloss saß unbeweglich in seinem Sessel, in der einen Hand hielt er ein leeres Glas, die andere ruhte flach auf der Armlehne. Bis jetzt hatte er sich nicht einwickeln lassen.
    Franklin marschierte unbeirrt weiter.
    »Ich traf dort einen Geburtshelfer und

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