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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
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Infrarotkamera, überprüfte die Zuverlässigkeit eines Chronometers und holte einen Sprühkanister mit Druckluftpistole. Anschließend zückte er ein Maßband und kontrollierte die exakten Maße des »Tiers«, den Umfang der Taille, der Arme, der Schenkel und des Halses. Es war anstrengend und demütigend.
    »Ausgezeichnet, du hast nicht zu viel abgenommen«, beglückwünschte ihn Boz.
    Ohne den Hauch eines Zögerns bespritzte er Jackson Pounds mit Benzin und Schwefel. Dann brachte er den Kanister in den Gang hinaus, schaltete die Kamera ein, ergriff den Küchenbrenner und setzte den Mann an einem seiner fetten und unförmigem Zehen in Brand .
    Der von Ben O. Boz ersonnene Pyromane zündete nämlich keine Wälder an, sondern Menschen. Und wie jeder Pyromane, der etwas auf sich hält, wünschte er sich, dass seine Feuersbrunst so groß und so langanhaltend wie möglich war. Boz hatte erfahren, dass menschliches Fett sich verhielt wie das tierische Fett in früheren Kerzen: Es war ein ausgezeichneter Brennstoff. Aus seinen Nachforschungen hatte er gelernt, dass ein fleischiger Körper eine Stunde oder auch länger brennen konnte.
    Boz sagte sich, dass dieses »oder auch länger« eine Überprüfung verdiente.
    Der in Brand gesetzte Jackson zuckte nur ein paarmal zusammen, herkulische Regungen angesichts seiner Masse, viermal stand er vom Boden auf und fiel wieder auf den Rücken, seine Gliedmaßen verrenkten sich, der Kopf schnellte in alle Richtungen, als wolle er die Flammen verscheuchen. Jackson stieß beklemmende, spitze Schreie aus. Doch er schrie und brüllte nicht lange, denn sein Herz zersprang sehr schnell.
    Boz war natürlich auf schwarze Rauchwolken aus verbrannter Haut gefasst, so undurchdringlich wie die von Reifenschläuchen; er war auf den scharfen Geruch geschlachteter Schweine eingestellt, aber nicht auf Fetttropfen ! Sie perlten buchstäblich auf der Haut des Fettleibigen herab. Jeder Tropfen rollte mitsamt seiner kleinen Flamme zu Boden und verzehrte sich dort weiter. Bald bildete sich eine Art Glutpfütze, die sich um den Opferplatz ausbreitete. Sein »Gewichtsüberschuss«. Die Fettströme waren sehr weiß und stetig. Im Augenblick verhinderten sie sogar, dass die Haut schwarz wurde und verbrannte …
    Bald wurden die Rauchschwaden, die durch die sorgfältige Isolierung des Kellers eingeschlossen blieben, zu dicht, als dass Boz noch in dem Raum hätte bleiben können. Doch er hatte ein Phänomen entdeckt, das ihn in helle Aufregung versetzte: Jackson Pounds schmolz vor seinen Augen regelrecht dahin, doch anstatt dass dieser abscheuliche Prozess ihn bis zur Unkenntlichkeit entstellt hätte, gab er ihm dankenswerterweise eher allmählich die menschliche Gestalt zurück, die er vor undenklichen Zeiten verloren hatte.
    »Perfekt!«
    Boz vertraute die verbliebenen Aufgaben der Obhut seiner Kamera an. Jackson würde gut zwei Stunden lang schmoren.
    Der Schriftsteller jubilierte. Er hatte eine neue und unanfechtbare empirische Erkenntnis für seine Novelle gewonnen. Genauso, wie er es liebte.
    Er kehrte in die Küche zurück und verzehrte sein Hühnchen, das allerdings für seinen Geschmack ein wenig zu durchgebraten war.
    Gegen Ende des Abends kehrte er an seinen Schreibtisch zurück und nahm die Arbeit am Pyromanen dort wieder auf, wo er sie abgebrochen hatte. Er begutachtete sein Kapitel über das »Fett, das verkohlt« mit neuen Augen.
    Morgen würde er noch weitere Erkenntnisse über den Zustand der knochigen Überreste und die Schicht aus erkaltetem Fett auf dem Skelett gewinnen …
    Jedenfalls freute er sich über diese Entdeckung der Fettfontäne, die sich wie eine brennende Lache unter dem Körper ausbreitete. Sie war für seinen Text bestimmt!
    Ben O. Boz wiederholte sehr gerne, dass er sich eine Kinderseele bewahrt habe: Er war schon mit Nichts glücklich zu machen!

16
    Franklin arbeitete an seinem Roman. Beflügelt brachte er eine verfremdete Schilderung seiner ersten Begegnung mit Boz zu Papier und war sehr zufrieden damit. Er begann sich sogar schon auszumalen, wie das folgende Treffen ablaufen mochte.
    Doch das neue Treffen am folgenden Samstag glich in keiner Weise dem, was er sich an seinem Schreibtisch erträumt hatte.
    Erstens war es ein heller, geradezu strahlender Tag, nicht so drückend wie beim ersten Mal. Zweitens erwartete nicht der Schriftsteller den Professor vor seinem Haus, als er aus seinem Käfer stieg. Vielmehr erblickte er ein Polizeifahrzeug aus Dovington sowie einen

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