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Kein Entrinnen

Titel: Kein Entrinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou
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handschriftlichen Brief hinterlassen, in dem er seine Absicht verkündete, Selbstmord zu begehen. Doch die Leiche blieb unauffindbar. Personenbeschreibungen und Fotos in der Zeitung sollten der Polizei bei der Suche danach helfen. Jackson Pounds war nicht so leicht zu übersehen.
    Mit dem Brenner in der Hand ging Boz in den Keller.
    Er hatte dieses riesige Haus in Dovington neun Jahre zuvor mit seiner Frau - und ihrem Geld - gekauft. Das Anwesen hatte es ihm aus zweierlei Gründen angetan: erstens wegen seiner isolierten Lage in den Green Mountains und zweitens wegen der verblüffenden Persönlichkeit seines früheren Besitzers. Der Mann war damals 65 Jahre alt. Ein bankrotter alter Exzentriker. Er hatte die Paranoia des Kalten Kriegs miterlebt und sich mit eigenen Händen unter seinem Haus einen Atomschutzbunker eingerichtet. Aus Angst vor jeder Art von Roten und vor Verrätern seiner Stadt, selbst religiösen, hatte er diesen Bau bis zum Verkauf seines Besitzes niemandem gegenüber mit einem Wort erwähnt.
    Ben O. Boz hatte das sehr gefallen. Da es sich um einen Verkauf ohne Makler unter Privateigentümern gehandelt hatte, hatte nicht einmal das Grundbuchamt des Bezirks von diesen hundertvierzig zusätzlichen Quadratmetern erfahren.
    Am Fuß der Treppe angekommen nahm Boz in den Kellergewölben einen anderen Gang als den, dem der junge Frank Franklin gefolgt war. Er schloss eine gepanzerte Tür auf, die große Ähnlichkeit mit Türen hatte, wie man sie in den Schließfachabteilungen einer Bank findet.
    Er betätigte einen Lichtschalter mit Zeitschaltuhr, und ein halbes Dutzend nackte Glühbirnen unter Drahtgittern erhellte den zentralen Gang und die fünf Räume des Bunkers. Der Erbauer dieser Örtlichkeiten legte Wert auf Komfort und hatte geplant, die Auflösung einer atomaren Wolke über Vermont unter den bestmöglichen Bedingungen abzuwarten. Überall erkannte man das altmodische Dekor der fünfziger Jahre, das 2007 wieder einen gewissen Charme gewonnen hatte. Ein Maschinenraum steuerte die Belüftung und die Energieversorgung. Nicht genug für den Betrieb eines modernen Computers, aber ausreichend, um die Luft darin zu filtern und deutlich sehen zu können.
    Alle Räume des Schutzkellers waren voneinander isoliert. Boz öffnete die Tür einer Zelle, die den Überlebenden als Vorratsraum dienen sollte.
    In der Mitte krümmte sich ein Mann am Boden.
    Er war etwa vierzig Jahre alt. Er war vollkommen nackt und kauerte sich zusammen.
    »Wie geht’s, Jackson?«, fragte Boz.
    Beim erbarmungswürdigen Anblick dieses Menschen hatte er nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Im Gegenteil, er schien sich an diesem Schauspiel zu weiden.
    Jackson Pounds, der Verschwundene aus Montpelier, machte seinem Namen alle Ehre. Er wog zweihundertvierzig Kilo. Mit seiner haarlosen und bleichen, von Fettfalten durchzogenen Haut glich Jackson einer abstoßenden Fettkugel, die auf der linken Seite lag. In diesem Stadium der Fettleibigkeit verwandelte der Mensch sich im wahrsten Sinn des Wortes in Biomasse. Seine Waden wurden von schweren Ketten niedergehalten. Doch bei seiner Schwäche war der Mann gewiss nicht mehr in der Lage, aufzustehen … geschweige denn zu fliehen!
    Jackson warf seinem Peiniger einen jämmerlichen Blick zu. Der arme Kerl wollte sterben. Nichts als sterben. Seit Monaten schon ertrug er sich selbst nicht mehr, fühlte sich unfähig, seinen Hunger im Zaum zu halten oder noch irgendetwas im Leben zu erhoffen. Er hatte im Internet herumgesurft, dort, wo man alles und jeden findet. Einschließlich solcher Portale, die einem die notwendigen Tipps für einen perfekten Abgang, für eine Begleitung bei der Umsetzung in die Tat, auf welche Weise auch immer, geben. Ben O. Boz hatte Jackson Pounds auf einer pseudosatanistischen Website entdeckt, die auf tödliche Arzneitränke spezialisiert war. Unter dem Pseudonym Belial hatte der Schriftsteller sich an ihn herangemacht. Jackson, der glaubte, Hilfe zu finden, fand sich plötzlich als Versuchskaninchen wieder, ohne irgendetwas bemerkt zu haben.
    »Jetzt wird es ernst«, verkündete Boz. »Du hast nichts zu befürchten, deinen letzten Augenblicken wird es nicht an Bravour fehlen.«
    Jackson fehlte die Kraft wie auch die Idee zu einer Antwort. Die bloße Aussicht auf ein baldiges Ende erfüllte ihn mit tiefer Freude. Sterben. Schnell sterben!
    Das allerdings lag nicht in Boz’ Absicht.
    Dieser ging mit abstoßender Seelenruhe zu Werke. Als Erstes installierte er eine

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