Kein Entrinnen
Anspielungen. Mary und Frank mussten sich beinahe noch mehr verstecken als zuvor.
An diesem Tag gingen sie geschützt vor fremden Blicken im Park spazieren. Mary sprach über ein Praktikum in New York, das sie im Sommer wahrscheinlich machen wollte. Frank versprach sie so oft wie möglich zu begleiten.
»Da unten werden wir wenigstens unsere Ruhe haben.«
Sie glaubten, sie seien alleine, aber trotzdem kreuzte plötzlich jemand vor ihnen auf. Es war Stu Sheridan.
»Franklin, wir müssen miteinander reden«, sagte er. »Sofort.«
Der Professor wandte sich überrascht an Mary und bat sie, ihn einen Augenblick zu entschuldigen. Sie entfernte sich beunruhigt.
»Wir können zu mir gehen, wenn Sie wollen, Colonel?«
»Bloß das nicht. Sie könnten uns hören.«
Sie, das war das FBI.
Nun wurde Franklin unruhig. Die beiden Männer suchten in der Sternwarte von Durrisdeer Zuflucht. Der Laufgang unter den gewaltigen Teleobjektiven war menschenleer. Im Halbschatten kam Sheridan ohne Umschweife zur Sache.
»Das FBI enthält uns wesentliche Informationen vor. Wir beide, Sie und ich, liegen vollkommen falsch.«
»Was wollen sie damit …«
»Boz steht seit September mit ihnen in Kontakt !«
»WAS? Er spricht mit ihnen? Wie haben Sie das herausbekommen?«
Sheridan atmete tief ein. Er war kurz davor zu explodieren.
»Es ist Ihnen sicher nicht entgangen, dass Melanchthon in letzter Zeit alles tut, um mich von den Besprechungen und von den Fortschritten der Ermittlungen fernzuhalten. Was weiter nicht überraschend ist, denn jetzt, wo Sie mit an Bord sind, braucht sie mich nicht mehr.«
Franklin hatte das in der Tat bemerkt. Die Staatspolizei war beim Team des »Letzten Worts« nicht mehr gut angeschrieben.
»Ich habe nicht protestiert«, meinte Sheridan, »aber das hat mich darin bestärkt, meine eigenen Nachforschungen wieder aufzunehmen. Schließlich hatte ich mit meinen vierundzwanzig Leichen von Anfang an zu tun und ich betrachte sie nach wie vor als meinen Fall. Daher habe ich die Untersuchung dort wieder aufgenommen, wo ich sie abgebrochen habe.«
»Und?«
»Den Ausgangspunkt bildete eine Frage, die mit Patricia Melanchthon zu tun hat. Erinnern Sie sich an den Tag, als sie uns detailliert die Experimente beschrieb, die Boz im Elektrizitätswerk im Bezirk Carroll durchgeführt hat?«
»Sehr gut, ja.«
»Ihre Erklärung war sehr präzise, aber sie hat uns zu keiner Zeit darüber informiert, woher sie diese Informationen bezogen hat.«
Franklin war sprachlos. Tatsächlich war das Bild, das sie von Boz und seinen vierundzwanzig Versuchskaninchen gezeichnet hatte, bis ins Einzelne detailliert gewesen. Was waren ihre Quellen gewesen?
»Es war Boz höchstpersönlich«, antwortete Sheridan. »Alles begann am 14. September 2006: Melanchthon erhielt ein an sie persönlich adressiertes Paket im Fachbereich für Verhaltensforschung in den Räumen der FBI-Akademie in Quantico in Virginia. Dieses Paket enthielt mehr als vierzig Videokassetten!«
Die VHS-Kassetten. Franklin hatte Sheridans Bericht genau studiert, und die Entdeckung des Transformators in Tuftonboro am 20. Februar dieses Jahres war ihm keineswegs entgangen. Die Zellen. Die Vorratsräume. Die Kameras. Die Aufnahmegeräte. Und die Regale im Kontrollraum, wo die Ränder der Schmutzablagerungen an den Wänden verrieten, dass dort erst vor kurzem irgendwelche Behälter entfernt worden waren.
»Genau die waren es«, bestätigte ihm der Colonel. »Die Videobänder, auf denen schonungslos die von Ben O. Boz an seinen Versuchspersonen durchgeführten Experimente zu sehen waren.«
Der Cop reichte Franklin eine Mappe: ein paar Fotos, Computerausdrucke, die durch Schwarz-Weiß-Fotokopien in schlechter Qualität vervielfältigt waren. Der Professor ahnte, dass der Colonel ihm die schlimmsten Abzüge erspart hatte. Aber es blieben ein junger Mann auf dem elektrischen Stuhl, ein Pastor, der sich bis aufs Blut auspeitschte, ein Aidskranker, der sich eingenässt hatte. Die Bilder sprachen Bände.
»Wie haben Sie sich diese Unterlagen besorgt?«
»Im Laufe meiner Besprechungen mit dem FBI stieß ich zufällig auf einen Kommunikationskode unter den Agenten, die zum Team »Letztes Wort« gehören. Damit gelang es mir, im Namen von O’Rourke und Colby eine Kopie der Akte für das lokale Büro in Concord anzufordern und sie persönlich vor ihnen in Empfang zu nehmen. Ich habe Freunde beim FBI, die mir geholfen haben.«
Franklin war fassungslos. Boz stand in Kontakt mit
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