Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Erbarmen

Kein Erbarmen

Titel: Kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerold , Haenel
Vom Netzwerk:
»An dem Abend, als Anna gestorben war. Wir hatten gedacht, dass wir ihr das schuldig wären. Dass wir etwas tun müssten. Anna war immer diejenige von uns gewesen, die nicht länger stillhalten wollte. Sie hatte ja auch schon mal versucht, das alles zu melden, aber es hat nie wirklich eine Untersuchung gegeben. Es hat niemanden interessiert, das einzige Ergebnis war, dass es noch schlimmer wurde, weil Respekt natürlich Wind davon gekriegt hat und wütend war. Aber Anna wollte nicht begreifen, dass wir von außen keine Hilfe bekommen würden. Sie hat irgendetwas gesagt von einem Hauptkommissar, dem sie alles erzählen wollte. Sie war überzeugt, dass sie dem Typen vertrauen könnte. Wir haben keine Ahnung, um wen es ging oder woher sie ihn kannte, aber der Typ hat sowieso nicht reagiert …«
    Tabori spürte, wie Lepcke ihm einen Blick zuwarf. Er schüttelte unmerklich den Kopf. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, um Güngör zu unterbrechen.
    »… und was dann war, wissen wir nicht so genau. Wir glauben nur, dass es immer noch um den gleichen Typen ging, als Anna kam und gesagt hat, dass wir sie krank melden sollten, weil sie für ein oder zwei Tage weg müsste.« Güngör schluchzte auf. »Und das Nächste war, dass sie auf den Bahngleisen gefunden worden ist.«
    Güngör brach abrupt ab. Janin streichelte ihre Hand.
    »Ich hab’s immer noch nicht«, sagte Lepcke. »Ihr wolltet also irgendetwas unternehmen, habe ich das richtig verstanden? Ihr wart überzeugt, dass euch niemand helfen würde, und jetzt war Anna tot und ihr wolltet nicht mehr länger stillhalten …«
    »Sag du es ihnen«, flüsterte Güngör fast tonlos.
    Janin drehte sich zu Lepcke.
    »Es gab so eine Art spontane Trauerfeier in der Ausbildungsstätte, in der Nacht, als sie Anna gefunden hatten. Wir haben erst alle noch geglaubt, dass sie sich wirklich umgebracht hätte, weil sie nicht mehr konnte, und wahrscheinlich ging es Güngör und mir noch schlechter als den anderen, wir waren total fertig. Wir hatten uns ja irgendwie mitschuldig gemacht, weil wir nie wirklich etwas unternommen hatten. Ich weiß nicht, wie wir darauf gekommen sind, aber …« Sie nickte mit dem Kopf zu Damaschke hinüber. »Und er saß bei uns mit am Tisch, als wir auf die Idee gekommen sind, uns Respekt zu schnappen und ihm genau das anzutun, was er uns die ganze Zeit über angetan hat. Es war unsere Idee, und wir hätten das auch gemacht, wir hatten auch schon geplant, ihn in den Heizungskeller zu bringen, und uns ausgemalt, was genau wir mit ihm machen würden, ihn zwingen, irgendwelche perversen Befehle auszuführen und das alles. Es war uns auch völlig egal, was danach passieren würde, vielleicht hatten wir auch schon zu viel getrunken, aber wir fanden, dass wir es tun mussten, weil sich sonst nie etwas verändern würde. Wir wussten nur noch nicht, wann wir es machen sollten, weil wir am nächsten Tag für eine Fortbildung nach Lingen mussten. Respekt war dann nicht dabei, obwohl er als Ausbilder natürlicheingeteilt gewesen war, und Damaschke ist erst später gekommen, erst kurz vor der Mittagspause, aber er hat von unterwegs angerufen und behauptet, dass er im Stau steckt.«
    Die Information ließ Tabori für einen Moment die Luft anhalten.
    »Warum sagst du ›behauptet‹?«, hakte er dann ein. »Kam euch das komisch vor?«
    »Dir nicht?«, fragte Janin zurück. »Er war mit dem Motorrad unterwegs!«
    »Verstehe.«
    »Aber wir haben gedacht, er hätte vielleicht verschlafen«, ergänzte Güngör. »Er hatte ziemlich viel getrunken an dem Abend vorher. – Das mit dem Foto haben wir auch erst hinterher kapiert. Er wollte unbedingt, dass wir uns für dieses Gruppenfoto aufstellen …«
    »Das war sein Alibi«, nickte Tabori. »Und es hat funktioniert, weil keiner auf die Idee gekommen ist, dass er gar nicht von Anfang an da war. Ich habe nur kurz überlegt, ob er vielleicht eher wieder gefahren ist, aber das ergab keinen Sinn mit dem Todeszeitpunkt, den der Pathologe festgestellt hatte, also …« Er zuckte mit den Schultern, ohne den Satz zu beenden.
    Lepcke übernahm wieder.
    »Als Respekt dann gefunden worden ist, habt ihr euch den Rest zusammenreimen können …«
    »Respekt war gefoltert worden«, bestätigte Janin. »Genau wie wir es am Abend vorher geplant hatten. Es konnte doch nur Damaschke gewesen sein! Und als er einen Tag später entführt worden ist, war uns klar, dass das nicht stimmen konnte. Warum hätte ihn jemand entführen sollen?«
    »Aber

Weitere Kostenlose Bücher