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Kein Fall für Mr. Holmes

Kein Fall für Mr. Holmes

Titel: Kein Fall für Mr. Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney Hosier
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zeigte seinerseits eine Kenntnis der Seefahrt, die mich überraschte.
    »Blackwell«, antwortete ich.
    Der alte Kopf nickte wissend. »Blackwell«, wiederholte er gedankenverloren. »Ja, eine gute Gesellschaft. Ich selbst gehörte zur Besatzung der Thomas B. Henly, ein Windjammer der Blackwell-Gesellschaft – zu den Westindischen Inseln und zurück. Wir hatten, soweit ich mich erinnere, Rum und Zuckerrohr geladen.«
    Er hatte mich vollkommen überrascht. Wer hätte gedacht, daß dieser nette, zerbrechliche alte Mann neben mir einst in der Takelage geklettert, Segel losgemacht und die Gischt des Ozeans gespürt hatte? Wie schnell wir doch die Menschen mit unser Vorstellung davon, was sie sind, waren oder sein sollten, in Kategorien einordneten!
    »Und dennoch«, erwiderte ich, »sind Sie jetzt hier auf Haddley.«
    Während er es sich etwas bequemer machte, antwortete er: »Bevor Sie mich nun für einen alten Seebären halten, Mrs. Hudson, muß ich gestehen, daß ich nur eine einzige Reise auf hoher See gemacht habe. Mein Vater, müssen Sie wissen«, fügte er etwas entspannter hinzu, »diente sein ganzes Leben lang auf Haddley, so wie auch schon sein Vater vor ihm. Aber in der Ausgelassenheit der Jugend beschloß ich, wenn ich schon dienen sollte, dann auf See. Es erschien mir als ein weitaus faszinierenderes und abenteuerlicheres Leben, als für immer lautlos über Teppiche zu trotten.«
    Ich nickte verständnisvoll, sagte nichts und ließ ihn fortfahren.
    »Aber ich fürchte«, redete er weiter, »daß ich nur allzu schnell merkte, daß das Leben eines Seemannes nichts für mich war. Seekrank, Madam. Die ganze Reise über war ich seekrank. Ich schwor, wenn ich England jemals wiedersehen sollte, würde ich die heiligen Hallen von Haddley nie mehr verlassen.«
    Ich tätschelte sanft die mit weißen Handschuhen bekleideten Finger. »Dennoch, alles in allem…«, sagte ich mit einer sich verlierenden Stimme.
    »Ja, dennoch, alles in allem«, lautete die leise Antwort, »hätte ich das für nichts auf der Welt versäumen mögen.«
    »Es scheint«, lächelte ich, »als hätten wir beide eine besondere Beziehung zur See, Sie und ich.«
    Er wandte sich mir zu, und zum ersten Mal, so dachte ich, sah er nicht einfach nur eine Besucherin auf Haddley vor sich, sondern das Gesicht einer Freundin. In dem Moment spürte ich, daß ein Band zwischen uns geknüpft worden war. Ich hielt nun den Zeitpunkt für gekommen, etwas direkter zu werden. »Hogarth«, fragte ich, »liege ich falsch in der Annahme, daß Sie nicht an der Beerdigung Ihrer Ladyschaft teilgenommen haben, da Sie, sagen wir mal, eine persönliche Abneigung gegen die Familie hegen?«
    Seine Reaktion bestand aus einer gehobenen Augenbraue, einem Lächeln und eine unverbindliche Antwort: »In Ihnen steckt mehr, als man denkt, Mrs. Hudson.«
    Ich erwiderte sein Lächeln.
    Langsam lehnte sich der dünne Körper auf dem Sofa zurück, während nachdenkliche Augen tief in den Raum und die Zeit starrten, bevor ich letztendlich mit einer Antwort belohnt wurde.
    »Oh, ich hege keine Abneigung gegen die Jungen, ich meine, Sir Charles und den Squire. Du meine Güte, ich erinnere mich noch daran, als sie geboren wurden! Das waren in der Tat glückliche Zeiten«, ergänzte er wohl mehr für sich selbst.
    »Und als Herren, heute?«
    »Von meinem eigenen, persönlichen Standpunkt aus gesehen würde ich sagen, ›enttäuscht‹ wäre das geeignete Wort.«
    »Enttäuscht? Inwiefern?«
    »Das Trinken des einen und das Spielen des anderen«, antwortete er leise, während er systematisch eingebildete Fussel von seinem Revers entfernte. Eine Geste, von der er sich wohl erhoffte, daß sie eine gewisse Lässigkeit zeigte und über seine Verlegenheit hinwegtäuschte, welche ihn erfaßte, da er über die Charakterschwächen seiner Arbeitgeber plauderte.
    »Beide Herren«, bemerkte ich, um ihn davon in Kenntnis zu setzen, daß ich im Hinblick auf die St. Clairs nicht gänzlich unwissend war, »verbringen einen Großteil ihrer Zeit in London, soweit ich informiert bin.«
    »Ja, das ist sehr wohl wahr. In der Tat hat ihre unerwartete Rückkehr aus London letzte Woche die Dienerschaft in ziemliche Aufregung versetzt.«
    Aha, dachte ich, hier war etwas, an dem ich ansetzen konnte. Wie ich mich erinnerte, war es eine Maxime von Mr. Holmes, daß jegliche Abweichung von normalen Handlungsmustern – wie im Fall einer unangekündigten Rückkehr, auch wenn sie an sich nicht verdächtig war zumindest eine

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