Kein Fall für Mr. Holmes
dem, was ich dank des kleinen Scheins der Lampe, die Hogarth mir großzügigerweise zur Verfügung gestellt hatte, sehen konnte, war dies wirklich ein recht unheilvolles Zimmer.
Ich hatte es für klug gehalten, die Flamme nur ganz klein einzustellen, denn vor meinem Eintreten hatte ich bemerkt, daß ein Spalt von einem Viertelzoll die Tür vom Fußboden trennte, und ich wollte nicht, daß auch nur das geringste Anzeichen eines flackernden Lichtes in den Flur drang. Sollte meine Anwesenheit entdeckt werden, so fürchtete ich, war das mindeste, was zu erwarten war, daß mein Aufenthalt auf Haddley abrupt beendet würde. Das Schlimmste allerdings wäre mein frühzeitiges Ableben durch die Hände – wie die Polizei sagen würde – einer oder mehrerer Unbekannter gewesen. Spätere Ereignisse sollten beweisen, daß ich weder paranoid noch übermäßig theatralisch gedacht hatte.
Ich schwenkte meine Lampe nach rechts und entdeckte vier Pfosten, die – wie ich fand – unheilvoll Wache standen, und zwar an jeder Ecke eines mit Samt drapierten elisabethanischen Bettes, dessen Anblick mir ein unbehagliches Gefühl verschaffte, da ich mich an die Erzählung meiner Kameradin erinnerte, derzufolge die alte Frau in genau diesem Bett um ihr Leben gekämpft hatte.
Als ich mich zu der gegenüberliegenden Wand umdrehte, offenbarte sich mir ein pompöses, lebensgroßes Familienportrait, welches ich für dasjenige der St. Clairs hielt und das vor recht vielen Jahren angefertigt worden sein mußte, wenn man von dem Aussehen zweier kleiner Jungen ausging, die versonnen in die Augen ihrer Eltern hinaufstarrten. Ich registrierte die Plazierung des Gemäldes und kam zu dem Schluß, daß es an dem speziellen Punkt aufgehängt worden sein mußte, damit Ihre Ladyschaft dort liegen und jahrelang quer durch das Zimmer auf – ja, ich nehme es an – auf eine Familie schauen konnte, die nur noch innerhalb dieses vergoldeten Rahmens existierte.
Ich persönlich, so fürchte ich, war von dem Gemälde nicht allzu beeindruckt, da die Personen für meinen Geschmack zu steif und formal geraten waren, ebenso wie mich die wachsähnliche Farbqualität der Haut vollkommen unbeeindruckt ließ. Wie auch immer, ermahnte ich mich, ich war nicht in meiner Eigenschaft als Kunstkritikerin hier, sondern als Detektivin.
Wo sollte ich anfangen?
Ich hielt es für sinnvoll, die Rolle des Mörders nachzuspielen. Ich beugte mich über das nun leere Bett und stellte mir vor, mit dieser überaus abscheulichen Tat beschäftigt zu sein. Violet stünde nun draußen und forderte, hereingelassen zu werden. Mein erster Instinkt war, zum Fenster zu eilen. Das tat ich. Ich schob die Vorhänge beiseite und öffnete den Riegel. Aber als ich mich hinauslehnte, entdeckte ich, daß es bis zum Straßenpflaster wirklich sehr tief hinabging und daß die Mauern zu glatt waren, als daß man daran hätte hinunterklettern können.
Eine Geheimtür? Vielleicht. Wenn ja, dann wäre es nicht das erste solcher stattlichen Häuser in England, das unentdeckte Ausgänge eingebaut hatte, um einen eiligen Rückzug vor den Soldaten des Königs oder den Rundköpfen Cromwells zu ermöglichen – je nach politischer Einstellung. Oder sogar für eine schnelle Verabschiedung aus einem Bett aufgrund der unerwarteten nächtlichen Rückkehr entweder des Herrn oder der Herrin – je nach Geschlecht.
Nun aber verbrachte ich gute fünfzehn Minuten damit, mich sorgfältig im Zimmer vorzuarbeiten und leise jeden Abschnitt der vertäfelten Wand abzuklopfen, immer mit der Hoffnung, ein hohles Geräusch zu vernehmen. Aber leider muß ich gestehen, daß meine Bemühungen vergeblich waren. Violet, so sagte ich mir, war vielleicht in der Lage, sich in Luft aufzulösen, aber ich bezweifelte, daß unser Mörder fähig gewesen war, dieses Kunststück zu vollbringen.
Vielleicht könnte eine Falltür die Antwort sein, dachte ich mir, ließ aber schnell von der Idee ab. Ein Teppich mit orientalischem Muster bedeckte fast den ganzen Boden. Es wäre für jedermann unmöglich gewesen, einen Teil davon beiseite zu ziehen, durch die Falltür nach unten zu stürzen und den Teppich in seiner ursprünglichen Position zurückzulassen.
Es schien, als müsse ich mich damit abfinden, das Rätsel nicht gelöst zu haben, es sei denn, ich würde die Version meiner Kameradin in Frage stellen.
Dies jedoch würde ich nie tun.
Nein, es mußte noch irgend etwas geben, das ich übersehen hatte. Aber was?
Während ich darüber
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