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Kein Fall fuer Wilsberg

Kein Fall fuer Wilsberg

Titel: Kein Fall fuer Wilsberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kehrer
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verstehe ich nicht?«
    »Ich will Ihnen mal was erzählen«, entgegnete er und steckte die Zigarre erneut in Brand. »Es wird Sie vielleicht schockieren. Ihr 68er habt ja keine Ahnung, wie dieses Land aufgebaut wurde.«
    »1968 war ich zehn Jahre alt«, warf ich ein, aber er wischte meine Bemerkung mit einer Handbewegung beiseite.
    »Mein Vater, Max Große-Hülskamp, hat die Firma aufgebaut.«
    Unwillkürlich mußte ich nach oben gucken.
    »Er war kein Nazi, er war deutschnational. Aber als die braunen Horden an die Macht kamen und die Zeiten härter wurden, ist er Mitglied der Partei geworden. Warum? Weil die Firma auf öffentliche Aufträge angewiesen war. Er hat sich mit den Machthabern arrangiert, ohne an deren Blut-und-Boden-Quatsch zu glauben. Und gegen Ende des Krieges hat er selbstverständlich auch Waffen produziert. Wie alle anderen Metallbetriebe, die noch nicht zerbombt waren. Ist er deswegen ein Verbrecher? Wir hatten nichts gegen Juden, in Warenfeld wohnten ohnehin nur wenige. Wir haben uns die Hände nicht schmutzig gemacht.
    Nach dem Krieg ist er zwei Wochen lang von den Briten inhaftiert worden. Mein Vater hat das nie verstanden. ›Ich habe in erster Linie für meine Firma gearbeitet und in zweiter Linie für mein Land. Die Nazis waren mir egal‹, hat er dem britischen Offizier gesagt.«
    »Er war nicht besser und nicht schlechter als die meisten anderen«, sagte ich. »Aber deswegen ist er noch lange kein Held.«
    Alfons richtete das glühende Ende seiner Zigarre auf meine Brust. »Wer sagt denn, daß wir Helden sein müssen? Der Punkt, auf den ich hinaus will, ist: Ich habe weder mir noch meinem Vater etwas vorzuwerfen. Wir waren keine Kriegsverbrecher. Die Nazis haben furchtbare Dinge getan. Aber dafür ist nicht das ganze deutsche Volk verantwortlich, und vor allem nicht bis in alle Ewigkeit.
    Wenn ich den Arabern die Geräte nicht verkauft hätte, hätte es ein anderer getan. Ich würde meine Produkte auch den Israelis verkaufen, aber die wollen sie nicht.«
    »Und daß Ihre Geräte dazu benutzt werden könnten, um gegen Israel Krieg zu führen, um erneut Juden umzubringen, das stört Sie nicht?«
    Er verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. »Darauf habe ich gewartet. Wie lange wollen Sie und Ihre Gesinnungsgenossen noch von der Kollektivschuld schwafeln? Wann wird Deutschland in die Normalität entlassen? Sind 50 Jahre Buße nicht genug?«
    Es kostete mich einige Mühe, ruhig zu bleiben. »Wissen Sie«, sagte ich langsam, »in einer Hinsicht war ich Ihnen früher ähnlich: Ich fühlte mich auch nicht verantwortlich. Ich war links und antifaschistisch, und deshalb hatte ich nichts mit den Greueltaten der Nazis zu tun. Daß ich zufällig einen deutschen Paß besaß, hielt ich für völlig unwichtig. Dann bin ich eines Tages einer alten Jüdin begegnet, die sich während der Nazizeit im Münsterland versteckt hat. Diese Frau hat mich als Deutschen angesprochen. Da ist mir zum ersten Mal bewußt geworden, daß ich mich nicht aus der Verantwortung für die Vergangenheit stehlen kann. Das ist keine Frage von Jahren oder Jahrzehnten oder persönlicher Schuld. Und deutsche Waffen, die gegen Israel eingesetzt werden, sind immer noch unmoralischer als andere.«
    Alfons warf den Stummel seiner Zigarre ins Kaminfeuer.
    »Wer im Trockenen sitzt, kann gut über Moral reden. Was ist mit den Arbeitsplätzen und den persönlichen Schicksalen, die daran hängen? Sind Sie bereit, den Leuten ins Gesicht zu sagen, daß sie zum Arbeitsamt gehen sollen?«
    »Ich denke, daß wir auch heute einen Preis zahlen müssen. Dafür, daß Leute wie Ihr Vater…«, ich zeigte nach oben, »… Mitläufer waren, anstatt den Faschismus zu verhindern.«
    Er stand auf und ging zum Kamin, die Hände auf dem Rücken verschränkt. »Ich hatte nicht gehofft, Sie überzeugen zu können. Sie haben Ihren Standpunkt, ich habe meinen. Lassen wir es dabei! Geben Sie mir bitte das Empfehlungsschreiben zurück! Ich werde Sie nicht daran hindern herumzuschnüffeln. Aber versuchen Sie nicht, den Leuten weiszumachen, daß Sie das in meinem Namen tun!«
    Ich zog das Empfehlungsschreiben aus der Tasche. »Eine Frage noch. Was wissen Sie über den Tod Ihres Sohnes?«
    »Nichts. Aber es würde mich sehr wundern, wenn es etwas mit dem Geschäft zu tun hätte.«

    »Ich muß hier raus«, sagte ich zu Kiki. »Die Luft unter diesem Dach ist mir zu stickig.«
    »Was hat er gewollt?« fragte sie besorgt.
    »Er hat mir klargemacht, daß er ein reines

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