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Kein Fall fuer Wilsberg

Kein Fall fuer Wilsberg

Titel: Kein Fall fuer Wilsberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kehrer
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Wanden und Gittern vor dem Fenster. Und die Typen, die dich betreuen, werden immer kaputter. Einmal dachte ich, ich hätte das große Los gezogen. Da war so eine Gruppe, die sich um Ausreißer bemühte. Die hatten eine große Wohnung und garantierten einem, daß man nicht an die Polizei oder ans Jugendamt ausgeliefert wurde. Ständig kamen Jungs und Mädchen vorbei, die eine Woche oder länger blieben. Wir hatten einen Fernseher und durften rauchen und Alkohol trinken. Der Typ, der die Sache managte, war zuerst richtig freundlich, hatte flippige Klamotten an, einen Stecker im Ohr und Farbe im Haar. Nach ein paar Wochen, wir hatten zusammen einen Kasten Bier leergemacht, kam er zu mir ins Bett. Bevor ich richtig merkte, was los war, war er schon in mir drin. Am nächsten Morgen habe ich meine Sachen gepackt. Aber von da an wußte ich, womit ich Geld verdienen kann.«
    »Wie alt bist du jetzt?« fragte ich.
    »Fünfzehn. Aber ich fühle mich wie dreißig. Wenn ich diese Modepunks am Bahnhof sehe, diese Gymnasiasten, die abends in ihr behütetes Elternhaus zurückgehen, dann denke ich: ›Das sind Kinder.‹ Die wissen nicht, was es heißt, ums Überleben kämpfen zu müssen.«
    Er gähnte, und ich merkte, daß ich ebenfalls schrecklich müde war.
    »Du kannst auf der Couch im Wohnzimmer schlafen«, sagte ich. »Ich gebe dir eine Decke.«
    »Deine Schwester möchte, daß ich verschwinde, stimmt’s?« erkundigte er sich, als wir zum Wohnzimmer hinüberwanderten.
    »Kümmer dich nicht drum! Sie kommt aus einer behüteten Industriellenfamilie. Da geht’s gesittet und anständig zu, zumindest an der Oberfläche.« Ich zog die Vorhänge zu. Draußen tobte sich Herr Gerning, mein Nachbar zur Rechten, am Rasenmäher aus.
    Ich gab Philipp die Wolldecke. »Ein paar Stunden Schlaf wird uns beiden guttun. Dann sehen wir weiter.«
    Er drehte sich zur Seite. »Sie sind schon ein komischer Kerl.«
    Das war ich wohl. Mit Nebel im Gehirn, verkrampften Schultern und Schmerzen im Bein schleppte ich mich ins Badezimmer. Ein heißes Bad, mehr wollte ich nicht. Und schlafen, endlos schlafen.
    Ich kippte eine Ladung Ölseife ins Badewasser, zog mich aus und stieg in das angenehm heiße Wasser. Augenblicklich entspannte ich mich. Und dann schlief ich ein.

XIV
    Es gibt Momente im Leben, da fragt man sich, ob man etwas falsch gemacht hat. Einer davon stellt sich unweigerlich ein, wenn man in einer mit kaltem Wasser gefüllten Badewanne aufwacht.
    Ich sprang aus dem Wasser, nieste, nibbelte meine wie umweltfreundliches Klopapier aussehende Haut so lange, bis sie wieder einen menschlichen Teint annahm, cremte mich gründlich ein und ging dann ins Bett. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, daß es zehn Uhr morgens war.

    Als ich zum zweiten Mal an diesem Tag aufwachte, hatte ich ein verstopftes Nasenloch und stechende Kopfschmerzen. Bevor ich aufstand, nahm ich ein Aspirin. Dann hörte ich die 15-Uhr-Nachrichten (53. Waffenstillstand in Bosnien-Herzegowina) und trug meinen geschundenen Körper in die Küche. Kiki, die sich am Herd zu schaffen machte, sagte über die Schulter: »Du siehst ja schrecklich aus.«
    »Ich fühle mich auch schrecklich. Ist irgendwas passiert, während ich schlief?«
    »Eine Frau aus deinem früheren Detektivbüro hat angerufen. Ich soll dich an Charlotte Sonn erinnern.«
    Auch das noch. Die hatte ich ja ganz vergessen.
    »Dieses Wesen, das du aufgegabelt hast, schläft noch im Wohnzimmer.«
    »Dieses Wesen ist ein fünfzehnjähriger Junge namens Philipp, der eine äußerst schwierige Kindheit hinter sich hat, falls er nicht noch drinsteckt.«
    »In Ordnung. Reg dich nicht auf!«
    »Ich reg mich nicht auf. Ich möchte nur etwas klarstellen.« Der Faustschlag, mit dem ich den Tisch traktiert hatte, verlängerte sich auf wundersame Weise über die Nervenbahnen bis in mein Gehirn, wo er als stechender Schmerz explodierte. »Aua!«
    »Kaffee?« fragte Kiki.
    »Ja, bitte!«
    Nach der dritten Tasse Kaffee ging es mir besser. Ich füllte eine andere Tasse, trug sie ins Wohnzimmer und stellte sie neben Philipp auf den Tisch. Dann zog ich die Vorhänge zurück.
    Er fiel fast aus dem Bett. »Mann, wie kannst du mich so erschrecken?«
    »Tut mir leid.« Ich setzte mich in den Sessel neben seinem Kopf. »Ich habe nachgedacht. Tom muß jemandem erzählt haben, daß Jochen Große-Hülskamp – ich meine: der Typ auf dem Foto – sein Kunde ist. Und dieser Jemand wollte das ausnutzen, zum Beispiel für eine Erpressung. Wer könnte das

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