Kein Fall fuer Wilsberg
Stürzenbecher. Seine Freude, um drei Uhr nachts meine Stimme zu hören, konnte nicht größer sein.
»Ich habe eine Leiche für dich«, sagte ich, nachdem er mit seinen Beschimpfungen zu Ende war.
»Kannst du deine Leichen nicht wie jeder normale Mensch am hellichten Tag finden?«
Und so weiter und so weiter. Das hat man nun davon, wenn man seine Bürgerpflicht tut.
Der Erkennungsdienst wuselte noch in der Laube herum und schoß Fotos fürs Polizeialbum. Zwei junge Beamte waren kurz herausgekommen, um sich zu übergeben und etwas von Erschwerniszulagen zu murmeln.
Stürzenbecher hatte sich mit einem einzigen Blick begnügt. Wir standen weit genug vom Eingang entfernt, so daß der Geruch der Blumen überwog.
»Und jetzt zu dir«, sagte er. »Ich nehme nicht an, daß du hier zufällig einen Schrebergarten besitzt.«
Ich kratzte mich an der Hand. »Nein.«
»Komm schon! Entweder du erzählst alles, was du weißt, oder ich buchte dich wegen Behinderung der Polizeiarbeit ein.«
»Das ist eine längere Geschichte«, begann ich. »Es fing damit an, daß ich mit meiner Schwester nach Texel gefahren bin.« Ich hatte mich entschieden, ihm so weit wie möglich die Wahrheit zu sagen. Mit einer Ausnahme: Philipp erwähnte ich mit keinem Wort. Die Zeit bis zum Eintreffen der Polizei hatte ich genutzt, um zusammen mit Koslowski eine alternative Version zu entwickeln. Danach hatte uns im Hauptbahnhof eine Frau den entscheidenden Tip gegeben, die genaue Position der Laube und sogar das Loch im Zaun beschrieben. Koslowski und ich würden die Frau als mittelgroß, hager, blond und grauäugig bezeichnen und natürlich nie wiedererkennen.
Stürzenbecher glaubte mir kein Wort. »Sei vorsichtig, Wilsberg! Du reitest dich da in was rein, das sehr unangenehm für dich werden könnte.«
»Ich sage die Wahrheit, nichts als die Wahrheit.«
»Okay, wir werden die Frau suchen. Und wehe, wir finden sie nicht!«
Ich setzte eine Unschuldsmiene auf. »Das ist dann wohl euer Bier.«
»Damit du es dir fürs nächste Mal merkst«, er wurde lauter, »du hättest sofort zu mir kommen sollen, als die Sache noch frisch war.«
»Was besagt schon ein einziges Pornoheftchen?« verteidigte ich mich. »Jeder, der mal in dem Ferienhaus war, konnte auf schmutzige Gedanken gekommen sein.«
»Aber nicht jeder ist auf eine so schmutzige Weise zu Tode gekommen.«
Ich sah ein, daß ich mich mit Stürzenbecher nicht einigen konnte. Also verabschiedete ich mich mit Hinweis auf die fortgeschrittene Uhrzeit und meinen angegriffenen Gesundheitszustand. Frostig wünschte er mir eine gute Nacht.
XIII
Es wurde bereits hell, als ich nach Hause kam. Da ich niemanden wecken wollte, ging ich durch die Garageneinfahrt meiner Nachbarn, kletterte über ein Mäuerchen und pirschte mich durch die beinahe hüfthohe Wiese bis zur Terrassentür vor, die stets unverschlossen war.
Die Mühe hätte ich mir sparen können. Kiki saß im Wohnzimmer, ließ sich vom Fernseher berieseln und sah ziemlich genervt aus. Ihre Begrüßung war entsprechend: »Gut, daß du kommst. Schaff diesen Jungen wieder raus!«
»Hat er dir etwas getan?«
»Nein. Aber solange er in der Wohnung ist, mache ich kein Auge zu. Wie kannst du einem solchen Subjekt deine Schlüssel überlassen?«
»Entschuldige, das ist immer noch meine Wohnung. Ich kann einladen, wen ich will.«
»Na gut, dann gehe ich.«
»Wohin, wenn ich fragen darf?«
»Nach Warenfeld. In ein Hotel. Ich überlege es mir, wenn ich gepackt habe.«
»Hör zu«, sagte ich mit gedämpfter Stimme, »ich glaube, daß ich mit Hilfe des Jungen den Mord an deinem Mann aufklären kann. Ich möchte ihn ein oder zwei Tage hierbehalten, um das herauszufinden. Und das alles tue ich deinetwegen, hast du das schon vergessen?«
Man sah förmlich, wie ihr Gehirn arbeitete. Zweifel, Empörung und Resignation wechselten auf ihrem Gesicht ab. Schließlich gab sie sich einen Ruck. »Versprichst du mir, daß er höchstens zwei Tage bleibt?«
»Ich verspreche es.«
»Hast du einen Safe?«
»Nein, aber ein Bankschließfach. Du kannst deine Wertsachen dort hinterlegen. Wo ist er eigentlich?«
»Im Bad. Er erzählte etwas von einer Leiche und, daß er dringend heiß baden müsse.«
Keine schlechte Idee. Ich klopfte an die Tür des Badezimmers.
»Was ist?«
Ich kämpfte mich durch die Nebelschwaden bis zur Badewanne vor. Er saß unter einer dicken Schaumdecke.
»Brauchst du was zum Anziehen? Einen Schlafanzug oder so?«
Er begutachtete meine
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