Kein Fleisch macht gluecklich
viele Betriebe nicht. Doch auch dafür gebe es wie so oft Ausnahmeregelungen.
Das EU-Tierschutzrecht verlangt zwar heute bereits eine angst- und schmerzfreie Tötung, diese ist jedoch höchstens in einer tierärztlichen Praxis möglich. Im Schlachthof oder gar bei Keulungen oder bei großen Mengen von Versuchstieren kommen arbeitstechnische Hürden ins Spiel. Die Schlachtverordnung verlangt daher auch nur eine Vermeidung von Schmerzen, die nicht »unvermeidbar« sind …
Jahrelang hätten Troeger und seine Kollegen die Probleme in deutschen Schlachthöfen thematisiert und auch in den Betrieben immer wieder angesprochen – passiert sei kaum etwas. Doch als er es 2010 schaffte, das Thema in einem Politmagazin und den Tagesthemen zu platzieren, war die öffentliche Empörung einschließlich meiner eigenen groß. Auch die Schlachtindustrie selbst habe sich empört gezeigt. Es habe natürlich geheißen, das sei alles Quatsch und es gäbe keine Probleme. Aber die aufgebrachten Bürger hätten Protestbriefe bis hinauf zur Bundeskanzlerin geschrieben und Rechtsanwälte eingeschaltet. »Die Sache hat so viel Wellen geschlagen, dass der Protest bis heute nicht wieder eingeschlafen ist«, sagt Troeger. Inzwischen sei unter dem Druck der Öffentlichkeit auch die Industrie bestrebt, Lösungen zu finden, und es gebe einzelne Betriebe, die bereits kontrollierten, ob jedes Tier ausreichend entblutet sei. Aber noch sei so etwas die Ausnahme. Die im Schlachtbetrieb anwesenden Tierärzte könnten diese Kontrolle nicht leisten – das sei unmöglich bei der Anzahl der Aufg aben und der zu schlachtenden Tiere. »Da muss das System funktionieren, also die Schlachttechnik«, fordert daher Troeger. »Da müssen Vorrichtungen sein, die sicherstellen, dass die Tiere definitiv tot sind, wenn sie in die Brühung gehen, und daran wird inzwischen gearbeitet.« Ab 2013 müssen laut EU-Schlachtverordnung alle Betriebe der überwachenden Behörde immerhin entweder ein Kontrollsystem oder die irreversible Betäubung nachweisen. Ich vermute aber mal, dass es auch dann »Ausnahmen« geben wird.
Atemnot statt Schinkenrot
Doch selbst wenn der Tod der Schweine vor der weiteren Behandlung gewährleistet ist, bedeutet das nicht, dass die Tiere sanft entschlafen, wenn sie in einer Gondel grüppchenweise ins CO 2 -Bad hinabfahren. Die Schweine hätten nach dem ersten Atemzug im CO 2 schlagartig das Gefühl von Atemnot, berichtet Troeger, denn das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, würde nicht durch Sauerstoffmangel ausgelöst, sondern durch einen Überschuss an CO 2 . Ich selbst erinnere mich an das entsetzliche Gefühl, als ich als Kind ein Luftballonventil eingeatmet hatte, das nur noch Luft aus meiner Lunge hinausließ, aber keine mehr hinein. »Es ist allgemeiner Konsens und Stand der Wissenschaft, dass etwa die ersten 15 bis 20 Sekunden von deutlichen Erstickungssymptomen gekennzeichnet sind«, sagt Troeger. Anhand der Stresshormonausschüttung habe man sogar messen können, dass die Tiere erheblich litten. »Das ist auch aufgrund des Verhaltens der Tiere klar zu sehen. Die recken den Kopf nach oben, sperren das Maul auf und versuchen nach oben aus der Gondel rauszukommen. Das ist diese Phase, die man heute mehr oder weniger zähneknirschend akzeptiert, weil wir momentan keine besseren Methoden haben.« Mutige finden im Internet entsprechende Aufnahmen, zum Beispiel in der Frontal21 -Sendung des ZDF vom 6. April 2010, die das beschriebene Verhalten der Schweine dokumentiert.
Zwar hat Troeger schon vor Jahren Versuche mit dem Edelgas Argon gemacht, das die Schweine absolut reaktionslos umfallen ließ. Doch zeigten sich danach Einblutungen in der Schinkenmuskulatur, weswegen das Verfahren in der Praxis nicht akzeptabel gewesen ist. Manchmal bin ich wirklich perplex, was in der Fleischproduktion als akzeptabel gilt und was nicht.
Und dazu Pommes
Bei Hühnern scheint die CO 2 -Betäubung besser zu funktionieren. Auf einem Förderband fahren sie in einen Tunnel mit einem CO 2 -Sauerstoff-Gemisch. »Da reagieren die Hühner nicht so stark«, sagt Troeger, »fallen aber irgendwann trotzdem um.« Erst dann werden sie mit hochprozentigem CO 2 »endbetäubt«. Beim Schwein würde diese zweiphasige Betäubung das Leiden nur verlängern, so Troeger. Filmaufnahmen zeigen, dass auch bei den Hühnern einzelne Tiere offenbar unter Atemnot leiden. Dennoch hält Troeger die CO 2 -Betäubung bei Masthühnern für besser als die sonst übliche Elektrobetäubung.
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