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Kein Fleisch macht gluecklich

Kein Fleisch macht gluecklich

Titel: Kein Fleisch macht gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Grabolle
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derselbe erklärt, der Fleischgenuss widerstrebe seinem Gefühl; wenn mir aber mein vegetarianischer Nachbar vorwirft, mein Fleischessen sei inhumaner, barbarischer Kannibalismus, so weise ich ihn mit der Entgegnung zurück, sein vegetarianisches Gefühl sei eine verschrobene, zimperliche Sentimentalität ohne objektive Begründung.«
    Im Interesse der Tiere
    Etwa zeitgleich mit Schweitzers Ausdehnung der Moral auf alle Lebewesen, auch die nicht empfindungsfähigen wie Pflanzen und Mikroben, begrenzt der Göttinger Philosoph Leonard Nelson (1882 bis 1927) seine Ethik auf Mensch und Tier. Für ihn liegt der moralisch bedeutende Unterschied in einem »bewussten« Empfinden gegenüber einem unbewussten, das lediglich eine Reaktion auf Reize sei, wie etwa das Zusammenzie hen der Blätter einer Mimose. Tierarzt Luy vermutet, dass Nelson der erste Philosoph war, für den Tiere »Personen mit Interessen« sein konnten, wie später für Peter Singer. Da Pflanzen als nicht bewusst empfindend e Wesen keine Interessen haben können, sind sie laut Nelson moralisch nicht zu berücksichtigen. Das klingt zwar ein bisschen nach dem Ausschluss der Tiere aus der Moral von Descartes, allerdings erscheinen mir Nelsons Kriterien weitaus plausibler als die von Descartes. Denn trotz manch abenteuerlicher Anekdoten gibt es keine wissenschaftlichen Hinweise, die auf ein Bewusstsein oder Schmerzempfinden bei Pflanzen deu ten. Die populäre Behauptung des Amerikaners Cleve Backster, der i n den 1960er-Jahren mittels eines Lügendetektors gar telepathische Reaktionen bei Pflanzen nachgewiesen haben will, dürfte ihrerseits einem Lügendetektortest schwerlich standhalten. Jedenfalls ließen sich seine Ergebnisse unter wissenschaftlichen Bedingungen bis heute nicht wiederholen. Da Pflanzen nicht in der Lage sind, zu flüchten oder sich zu verbergen, dürfte es zudem kaum einen evolutiven Selektionsdruck, also genetische Vorteile für Pflanzen gegeben haben, ein Schmerzempfinden zu entwickeln. Ein Sich-Hineinversetzen als Test für eine moralische Berücksichtigung erscheint daher bei Pflanzen nicht sinnvoll. Obwohl es bislang wissenschaftlich nicht nachweisbar ist, dass Pflanzen leiden können, wird diese Annahme gerne benützt, um das Essen von Tieren zu rechtfertigen – nicht etwa, um Pflanzen zu schonen. Solche Argumente zielen meines Erachtens meist darauf ab, dass es egal sei, ob man Tiere oder Pflanzen esse – gestorben werde immer.
    Leonard Nelson fordert, die Interessen von Tieren nicht zu verletzen, denn ihre Interessen seien genauso viel wert wie die des Menschen. Tiere sind für ihn vollwertige Moralobjekte, weil sie bewusst Empfindungen werten könnten und damit Interessen hätten. Diese kann man sich als Mensch durch einen Perspektivwechsel vorstellen: Da der Mensch Vernunft besitzt, ist er wegen des Gleichheitsgrundsatzes gegenüber den Tieren verpflichtet, ihre Interessen so zu berücksichtigen, als wenn es die eigenen wären. Tiere hingegen haben, weil sie nicht zu moralischer Einsicht fähig sind, keine Pflichten gegenüber dem Menschen, wohl aber Rechte. Schön für sie, die Theorie.
    Wann darf man Tiere töten?
    Hinsichtlich einer angst- und schmerzfreien Tötung von Tieren kommt Nelson also zu einem anderen Schluss als seine Vorgänger. Sie ist für ihn falsch, wenn das Interesse des Tieres am Leben mehr moralisches Gewicht hat als das menschliche Interesse an dessen Tötung. Mit ihm gehe ich da endlich d’accord. Nelson beantwortet die Tötungsfrage mit dem Prinzip der Goldenen Regel »Was du nicht willst, dass man dir tu …« anhand des Perspektivwechsels: »Die Antwort ergibt sich leicht, wenn wir nur die Frage stellen, ob wir, wenn wir selber schmerzlos getötet würden, darum in unsere Tötung einwilligen würden. Wir würden nicht einwilligen, weil unser Interesse am Leben durch die Tötung verletzt wird, mag die Tötung so schmerzlos oder so grausam sein, wie sie will.« Entsprechend fällt auch sein Urteil zur Ernährung mit Fleisch aus: »Wer aber das Leben des Tieres so gering achtet, dass er zum Beispiel die tierische Nahrung der pflanzlichen vorzieht, nur weil er sie für bekömmlicher hält, der sollte sich füglich fragen, warum er nicht auch Menschenfleisch isst.«
    Viele mögen Nelson widersprechen und einwenden, Tiere hätten kein Interesse am Weiterleben, weil sie ohne Zukunftsvorstellung seien. Entsprechend differenzieren Peter Singer und vor ihm der britische Philosoph Richard Hare (1919 bis 2002) den

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