Kein Fleisch macht gluecklich
Problem ist, dass es keine allgemeingültigen Werte zu geben scheint. Dazu stellt Jörg Luy fest: »Moses hat die Legitimationsfrage seiner Ethik mit den zehn Geboten in einer nicht zu toppenden Weise gelöst: In Stein gemeißelt, direkt in Gottes Auftrag.« Eine rational begründbare Ethik, wie sie seit der Aufklärung verlangt wird, hat es da viel schwerer. Alle Versuche, eine solche zu formulieren, sind bisher gescheitert. Einen weiteren Versuch hat der Naturwissenschaftler und Tierethiker Martin Balluch unternommen. Er begründet Tierrechte naturwissenschaftlich. Leben, Freiheit und Unversehrtheit sind für ihn allgemeingültige Werte für jedes Wesen, das bewusst empfindet, etwas als gut oder schlecht für sich selbst bewerten kann und somit auch einen Willen hat. Denn der Wille eines Lebewesens ist laut Balluch die Auswirkung seines Bewusstseins auf sein Verhalten. Da die Basiswerte Leben, Freiheit und Unversehrtheit Voraussetzung dafür sind, einen Willen auszuleben, liegen diese auch im Interesse des Lebewesens. Daraus ergeben sich für alle Lebewesen, die diese Kriterien erfüllen, Grundrechte. Die Grundrechte gelten gegenüber einem zu ethischen Entscheidungen fähigen Gewaltmonopol. Das liegt offensichtlich beim Menschen. Was ethisch richtig ist, kommt nach Balluch somit aus der eigenen Bewertung aller bewusst fühlenden Wesen und nicht aus der Beschreibung der Welt. Sonst wäre es ein naturalistischer Fehlschluss, der vom Sein auf ein Sollen schließt. Balluch sieht somit ein Lebensrecht für alle bewusst empfindenden Lebewesen – und das schließt dementsprechend auch ein Tötungsverbot ein.
In Schubladen denken – Grundlegende Positionen der Tier- bzw. Naturethik:
•Anthropozentrismus: Nur Menschen sind (aufgrund von Vernunft, Seele, Selbstbewusstsein, Sprache, Leidensfähigkeit im menschlichen Sinn o. Ä.) moralisch zu berücksichtigen. Nicht menschliche Lebewesen sind Ressourcen, über die man verfügen darf. Tiere und Natur sind nur dann schützenswert, wenn dies dem Menschen nutzt, etwa um zu verhindern, dass der Mensch verroht. (Immanuel Kant, Peter Carruthers)
•Pathozentrismus: Alle empfindungsfähigen (leidensfähigen) Lebewesen sind moralisch zu berücksichtigen. Innerhalb des pathozentrischen Ansatzes gibt es äußerst unterschiedliche Auffassungen darüber, welche empfindungsfähigen Lebewesen moralisch wie viel zählen.
Hierarchismus: Auch wenn (einige) Tiere moralisch um ihrer selbst willen zu berücksichtigen sind, schließt das eine Ungleichbehandlung und die Nutzung von Tieren für menschliche Zwecke nicht aus. Das Leid der Tiere zählt moralisch, aber nicht in gleicher Weise wie menschliches Leid (»milder Speziesismus«).
– Arten-Hierarchismus: Die Interessen vonMenschensind moralisch stärker zu berücksichtigen als die anderer Lebewesen, weil Menschen aufgrund ihrer Artzugehörigkeit oder ihrer artspezifischen Eigenschaften einen höheren Wert besitzen. Auch andere Gruppen von Lebewesen (zum Beispiel Wirbeltiere) können allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der Gruppe bevorzugt werden. (Carl Cohen)
– Gemeinschafts-Hierarchismus: Lebewesen, die mit Menschen in einer besonderen Beziehung stehen, sind moralisch höherwertig. Ihnen gegenüber bestehen Verpflichtungen. (Mary Midgley)
– Merkmals-Hierarchismus (Interessen-Hierarchismus): Nicht die Zugehörigkeit zu einer Art ist entscheidend, sondern die (potenziellen) Eigenschaften von Lebewesen (zum Beispiel Bewusstsein) oder ihrer Interessen (zum Beispiel Zukunftsbezug). Neben dem Menschen können auch andere Arten höherwertige Interessen haben. (Gary E. Varner)
Egalitarismus: Die Interessenvon Tieren und Menschen sind gleichermaßen zu berücksichtigen. Lebewesen, die in moralisch bedeutsamer Hinsicht gleich sind (zum Beispiel in puncto Empfindungsfähigkeit), sollen in dieser Hinsicht auch gleich behandelt werden. Die menschliche Vorrangstellung und die Ungleichbehandlung moralisch zu berücksichtigender Lebewesen sind ungerecht (-fertigt). Eine egalitäre Haltung muss nicht pathozentrisch sein, also die Leidensfähigkeit als einzig entscheidendes Kriterium ansehen. Sie kann Tieren Rechte aufgrund eines Eigenwertes zuschreiben, etwa aufgrund ihrerFähigkeit zur Autonomie. (Leonard Nelson, Richard Ryder, Steven M. Wise)
– Schwacher Egalitarismus: Die Gleichberechtigung gilt nur hinsichtlich der Leidensfähigkeit, nicht unbedingt hinsichtlich eines Lebensrechtes. Menschen oder auch einige Tierarten können weitere
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