Kein Fleisch macht gluecklich
konsumieren. Der Sache muss ich weiter auf den Grund gehen.
Von Aal bis Zander
Gefischt oder gezüchtet, gequält oder gesund?
Man muss sich nicht fragen, ob der Fisch, den man gerade auf dem Teller hat, wohl gelitten hat. Er hat. Auf jeden Fall.
Jonathan Safran Foer in Tiere essen
Sommer 1989: Die Waage zeigte 25 Kilogramm an, für den Flug in den Irlandurlaub war mein Rucksack deutlich zu schwer. Also musste ich die meisten Rindfleischdosen wieder auspacken. Umso mehr war ich motiviert, Fische zu fangen, auch, weil ich am Feuer gebratenen Fisch und das Angeln mochte. Nicht das öde Warten auf das Anbeißen von Friedfischen, sondern das sogenannte Blinkern, bei dem sich Raubfische im schillernden Metallköder verbeißen und jedes Auswerfen und Einholen mit einem bestechenden Nervenkitzel verbunden ist. Zumindest eine Zeit lang. Während des letzten Urlaubs war der Nervenkitzel meist früher oder später einem stechenden Hungergefühl gewichen, alle Angelversuche blieben erfolglos, der schwedische See gab nichts Lebendiges mehr her, und wir mussten auf geschmacklose Kurz-nach-Tschernobyl-Pilze zurückgreifen. Irland brachte mir hingegen das große Anglerglück. Bezüglich der Länge der gefangenen Hechte will ich mich nicht festlegen, jedenfalls waren sie ziemlich lang. Inmitten der Natur fühlte ich mich als Teil der Nahrungskette (selbstverständlich ganz oben) und fand es ganz natürlich, Tiere zu essen und zumindest Fische selbst zu töten. Das Töten selbst war nicht besonders angenehm. Ich weiß auch nicht, ob ich es »waidgerecht« anstellte, einen Angelschein hatte ich nie erworben. Einmal hat ein Fisch an Land geschrien – wie auch immer er das gemacht hat –, doch mein Mitleid galt es zu überwinden. Das gehört eben zur Natur des »Fressen und Gefressenwerdens« dazu, dachte ich. »Dr Fischfängr isch dr Hammr!«, kommentierten die Schwarzwälder Urlaubsbekanntschaften meine Fangerfolge. Das Lob der Schwarzwälder galt in meinen Augen irgendwie auch dem Töten der Tiere und hat mich damals stolz gemacht.
Tut das weh?
Jonathan Safran Foer hat mir mit seiner obigen Aussage über das Leid des Fisches auf dem Teller erheblich zu denken gegeben. Was fühlt der Fisch am Haken oder im Schleppnetz? Angler und Fischer beantworten die Frage meist anders als Vegetarier, zumindest die echten, die nicht wie ich Fische essen. Natürlich zappelt der Fisch und versucht sich aus dieser »stressigen« Situation zu befreien. Aber leidet er bewusst? Bloß weil er sich verhält, als ob er Gefühle hätte, heißt das nicht, dass er sie tatsächlich hat. Es ist nicht einfach, eine klare Antwort darauf zu finden. Während bei den warmblütigen Wirbeltieren weitgehend Übereinstimmung darin besteht, dass sie leiden, wenn sie schädigenden Reizen oder anderen unangenehmen Situationen ausgesetzt sind, ist das bei Fischen oder gar bei Wirbellosen wie Krebsen, Muscheln und Insekten viel umstrittener. Die Mehrheit der Fischforscher hatte bis in die 1970er-Jahre hinein die Vorstellung, dass Fische keinen Schmerz empfinden. Man glaubte, dass sie nicht über die dafür notwenige »Hardware« in Form von Schmerzrezeptoren und entsprechenden Verschaltungen und Verarbeitungszentren im Gehirn verfügten. Die Ausgrenzung von Fischen und hinsichtlich Gehirn noch einfacheren Organismen aus der moralischen Rücksichtnahme geschah demnach nicht aus speziesistischen Gründen (weil sie keine Menschen sind), sondern aufgrund ihres vermeintlich fehlenden Schmerzempfindens – ein durchaus moralisch bedeutsamer Grund.
Stumm und schmerzlos?
Die vielfältige Gruppe der Knochenfische, zu denen abgesehen von Haien und Rochen fast alle heutigen Fischarten zählen, ist erst nach der Entwicklung der ersten Säuger entstanden. Ihre Gehirne sind deutlich anders aufgebaut als die von Säugetieren, aber es sind relativ eigenständige Entwicklungen und mitnichten nur einfache Versionen des Säugerhirns. So scheint es nach heutiger Auffassung einiger Forscher im Vorderhirn der Fische Nervenzellen zu geben, die funktional mit den Zellen vergleichbar sind, die in dem für die Schmerzwahrnehmung wichtigen limbischen System und der Großhirnrinde des Säugerhirns vorkommen. Man kennt inzwischen auch pharmakologische und biochemische Befunde, die manche als Argumente für eine Schmerzwahrnehmung bei Fischen anerkennen. Schon länger bekannt ist, dass Fische über etliche Rezeptoren zur Meldung von Schädigungsreizen (Nozizeptoren) verfügen. Werden diese
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