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Kein Fleisch macht gluecklich

Kein Fleisch macht gluecklich

Titel: Kein Fleisch macht gluecklich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Grabolle
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gereizt, zeigen Fische mitunter sehr offensichtlich Verhaltensweisen, die auf diese Reizung hinweisen. Zudem dämpft Morphin bei Fischen genau wie bei anderen Wirbeltieren das entsprechende Verhalten. Fische verfügen darüber hinaus über körpereigene Opioide, die als Hinweis auf ein schmerzstillendes System im Körper gesehen werden können. An der Angelschnur oder in anderen Situationen lassen sich physiologische Reaktionen wie die Ausschüttung von Stresshormonen messen – sie liefern Informationen darüber, wie groß der Stress ist, dem die Fische ausgesetzt sind. Dauerhafter Stress führt bei Fischen – wie bei anderen Wirbeltieren auch – zu Erkrankungen. Die Mehrheit der heutigen Wissenschaftler geht daher durchaus von einer Schmerzwahrnehmung bei Fischen aus.
    Fishermen’s friend
    Wie in der Wissenschaft (und auch in den Medien) üblich, tauchen irgendwann Veröffentlichungen auf, die gegen den Strom der vorherrschenden Meinung schwimmen. Dies ist vor allem bei den Themen keine Überraschung, bei denen es bedeutende Interessen in der Wirtschaft oder anderen starken Lobbygruppen gibt. Seit einigen Jahren werden besonders unter Anglern die Veröffentlichungen des US-amerikanischen Wissenschaftlers James Rose zitiert. Er spricht Fischen zwar nicht die Fähigkeit ab, Schadreize aufzunehmen (Nozizeption) und via Gehirn mit einem bestimmten Verhalten und/oder Stress darauf zu reagieren, glaubt aber, dass sie mit ihren einfachen Hirnstrukturen weder den Schmerz noch Angst, Stress oder anderes Leid empfinden könnten. Sie verfügten erwiesenermaßen über keine Großhirnrinde. Und weil diese seiner Ansicht nach für ein bewusstes Empfinden notwendig sei, hätten Lebewesen, denen die Großhirnrinde oder analoge Strukturen fehlten, wahrscheinlich kein Schmerzempfinden. Die verringerte Schmerzreaktion nach der Gabe von Morphin könne auch allein durch eine Dämpfung der Nozizeption zu erklären sein und sei kein eindeutiger Hinweis auf eine bewusste Empfindungsfähigkeit. Das Gleiche gelte für die Ausschüttung körpereigener Opioide. Sie könnten zwar Schmerzfreiheit im Gehirn bewirken, aber auch einfach nur Einfluss auf die Nozizeption nehmen. Fische reagierten auf Schädigungsreize sozusagen nur reflexhaft wie ein Automat. So etwas hatte der Philosoph Descartes einmal allen Tieren unterstellt – und damit ja offensichtlich auch falschgelegen.
    Andersdenkende
    Nur weil das Gehirn eines Lebewesens anders aufgebaut ist, spricht das nicht gegen seine Fähigkeit zu fühlen. Neben den Fischen, Amphibien und Reptilien besitzen auch Vögel keine Großhirnrinde, es wird aber kaum bestritten, dass sie erheblich unter Schmerzen und anderem Ungemach leiden können. Vögel besitzen der Großhirnrinde zumindest vergleichbare Hirnstrukturen im sogenannten Nidopallium.In diesem Zentrum ihrer kognitiven Fähigkeiten sind die Nervenzellen sehr dicht gepackt, was zumindest zum Teil die Intelligenz der äußerst schlauen Papageien und Rabenvögel erklärt, die absolut gesehen ziemlich kleine Gehirne haben. Der populäre Hirnforscher Gerhard Roth schreibt daher von der Möglichkeit, dass »sehr hohe Intelligenz durch sehr unterschiedliche neuronale Architekturen verwirklicht werden kann«. Es kommt mir naiv vor, das für andere kognitive Eigenschaften wie etwa die bewusste Schmerzwahrnehmung auszuschließen.
    Nozizeption
    Wenigstens unter Forschern macht es einen erheblichen Unterschied, ob ein Lebewesen Schädigungsreize einfach nur sensorisch empfangen kann und an das Gehirn – falls vorhanden – weiterleitet oder ob dort die eingehenden Reize dem Tier (schmerzhaft) bewusst werden. Passende Reaktionen allein, etwa die Flucht oder ein Anstieg der Stresshormone, reichen dem Forscher nicht, um daraus ein bewusstes Schmerzempfinden abzuleiten. Fachleute halten daher bei vielen nicht menschlichen Tieren die Bezeichnungen »Stress«, »Belastungen« und »Schäden« für objektiver als »Schmerz« und »Leid«. Auch der Mensch verfügt über reflexhafte Reaktionen zur Schadensvermeidung, empfindet aber den Schmerz zumindest später bewusst. Ich habe es noch nie »bewusst« ausprobiert, aber es heißt, dass man bei Berührung einer heißen Herdplatte den Finger zurückzieht, noch bevor der Schmerz oder Hitzereiz ins Bewusstsein dringt. »Man« ist in diesem Fall das Rückenmark, das ohne Absprache mit dem Gehirn per Reflex den Befehl zum Rückzug erteilt. Das ist vorteilhaft, weil die Reaktion schneller und verlässlicher abläuft.

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