Kein Fleisch macht gluecklich
Demeter-Biobauern mit Milchkühen und Mastbullen gehört, der seine Tiere weder melkt noch schlachtet, sondern einfach leben lässt. Er und seine Freundin ernähren sich sogar vegan. Das muss ich mir anschauen. Urlaub auf dem Bauernhof!
Wir treffen Jan Gerdes auf Hof Butenland im friesischen Butjadingen inmitten einer Herde riesiger Kühe und dem beeindruckenden Leitochsen Willem. Am Stall hängt ein Schild »Kuh-Altersheim«. Im Schatten sitzen Dutzende von Hühnern, dazwischen mehrere Hunde und Katzen. Enten und Gänse marschieren über den Hof. Zudem gibt es noch Pferde, Kaninchen und vier Schweine. Eines davon, der dicke Prinz Lui, räkelt sich gerade im Hundekorb, der für ihn viel zu klein ist. Jans Freundin Karin lockt ihn mit Sojajoghurt wieder heraus. Einige Tiere sehen ziemlich mitgenommen aus. Sie sind alt oder stammen aus schlimmen Haltungsbedingungen. Karin kennt die Geschichte jedes einzelnen Tieres.
Als Kind hatte Bauer Jan, wie ihn meine Tochter nennt, keine Beziehung zu den Nutztieren auf Hof Butenland, den schon die Großeltern bewirtschafteten. »Die Kühe waren für mich wie irgendwelche Sachen, die es auf dem Hof gab, wie der Trecker, das Auto und alles andere auch. Das gehörte dahin«, erzählt er. Wie auch anderswo üblich kamen die Tiere aus der Anbindehaltung im Mai auf die Weide, nur zum Melken wurden sie in den Stall getrieben. Die Kälber trennte man gleich nach der Geburt von ihren Müttern. Die kleinen Kälber saugten dann an allem, was sie kriegen konnten. »Das fanden wir als Kinder natürlich süß, wenn die am Finger nuckelten. Aber das war reine Verzweiflung, weil die einfach die Mutterbrust gesucht haben«, sagt Bauer Jan.
Im Altersheim: Leitochse Willem mit Huhn
Als Jan den Beschluss gefasst hatte, Bauer zu werden, war für ihn klar, dass die Tierhaltung auf Butenland wesentlich artgemäßer werden sollte. Außerdem stellte er auf biologische Wirtschaftsweise um. Nach der Übernahme des Hofes erneuerte er den alten, dunklen und schlecht belüfteten Stall. Die Kühe standen fortan auf Einstreu statt auf Beton und Gummimatten. Im Winter blieben sie nicht mehr durchgängig an der Kette und durften stundenweise auf den Hof. Er richtete ihnen eine Abkalbebox für die Geburt der Kälber ein und sorgte dafür, dass sie ihre Kälbchen zumindest 14 Tage lang behalten durften. Für das Kalb sei jeder Tag bei der Mutter ein Gewinn, sagt Jan. Besser seien neun Monate. Aber ein Bauer, der überwiegend von der Milchwirtschaft lebe, habe gar keine andere Wahl, als die Kälber möglichst bald nach der Geburt wegzunehmen. Wenn sich Mutter und Kalb schon kennengelernt hätten, sei das unheimlich dramatisch. Die Trennung sei dann immer brutal, egal ob nach 14 Tagen oder drei Monaten. Kühe und Kälber riefen einander, und sie würden ihre Stimmen auch über Hunderte von Metern erkennen. Einige wenige Milchviehbetriebe betreiben eine sogenannte muttergebundene Kälberaufzucht. Dort dürfen die Kälbchen in einem Zeitraum von einigen Wochen bis zu wenigen Monaten bei ihren Müttern saugen. Zusätzlich werden die Mutterkühe gemolken. Allerdings ist die Milch-Ertragsmenge so natürlich geringer, die Wirtschaftlichkeit daher zweifelhaft, und nach der Trennung leiden Kühe wie Kälber dort ebenfalls.
Nach 20 Jahren Kühemelken, Kälbermästen und Zum-Schlachten-Verkaufen konnte er dem Bauerndasein nichts mehr abgewinnen. »Ich war nie zufrieden«, sagt Jan. »Ich hatte doppelte Arbeit, aber es war nicht wirklich artgemäß. Irgendwann kam der Punkt, wo ich keiner mehr sein wollte, der für die Menschen Fleisch produziert.« Auch mit den Milchkühen hatte er zunehmend Mitleid. »Weil es Säugetiere sind, denen man immer die Kinder nimmt. Das ist schon ein ziemlicher Schmerz«, glaubt er. »Und keine Kuh lässt sich freiwillig vom Bauern melken. Der muss erst mal den Willen der Kuh brechen. Das geht bei Kühen sehr einfach, weil das sehr liebe, sanftmütige Wesen sind.« Dazu fixiere man ihre Beine mit Seilen, oder zwei Männer hielten sie fest und bögen den Schwanz nach oben, bis sie sich das Melken gefallen lasse. Nach dem vierten oder fünften Mal lasse sie sich dann »freiwillig« melken, weil sie merke, dass Widerstand zwecklos ist. Auch bei anderen Nutztieren kann Jan sich nicht vorstellen, dass sie neben dem eigenen Kind freiwillig ein anderes Lebewesen an ihr Euter lassen. Er weiß, dass Schafe sich energisch zur Wehr setzen, wenn ein fremdes Lamm saugen will. »Da wird gestoßen und
Weitere Kostenlose Bücher