Kein Fleisch macht gluecklich
mache, sammle ich Eindrücke und Infomaterial und komme schnell ins Gespräch mit Standbetreuern und Besuchern. Mein Gegenüber hat einen amerikanischen Akzent und erstaunliche Ähnlichkeit mit Foer. Ich spreche ihn darauf an. Er raunt mir zu: »Yeah, it’s me, but don’t tell!« Vladimir macht aber nur Spaß, und sein Doppelgänger kommt wohl auch gar nicht hierher. Aus Foers Buch wird bloß ein deutscher Schauspieler lesen.
Ich vernehme Megafon-Protest. Er richtet sich nicht gegen den einzelnen Bratwurst-im-Bauchladen-Verkäufer vor der Kirche, sondern gegen einen Stand von Jagdgegnern auf dem Fest. Huch, mag da mancher denken, was haben denn Veganer gegen Jagdgegner? Hinter dem Verein der Jagdgegner stehe das »Universelle Leben«, kurz UL, heißt es. Die Sekte, die bis 1984 »Heimholungswerk Jesu Christi« hieß, predigt Vegetarismus, Tierliebe und Alkoholabstinenz. Ihr wird aber aus Tierrechtskreisen zuweilen Totalitarismus und Antisemitismus vorgeworfen. Bevor ich mich endlich an einem der vielen Essensstände vegan verköstigen kann, stelle ich fest, dass meine Frau ein Dutzend Mal versucht hat, mich auf dem Handy zu erreichen. Sie hat sich übergeben, und ich muss sofort nach Hause, um die Betreuung unserer Tochter zu übernehmen. Abends geht es meiner Frau besser, und ich kann fleischessende Freunde zum Grillen treffen. Neben ihren Echtfleisch-Würstchen erwärme ich Sojabratwurst für mich und plaudere über meine Erfahrungen beim Tierbefreiungskongress. Die Haltung der Tierbefreier erntet Gelächter und Kopfschütteln. Ich selbst fand ja die Sprache der Tierrechtler ebenfalls skurril, aber ihre konsequente Ablehnung jeglicher Tierausbeutung teile ich inzwischen weitestgehend. Darüber schweige ich. Vegan sei halt gerade Zeitgeist, höre ich vom Grill. Vegane Ernährung und das Eintreten für Tierrechte – nur eine Mode wie Nerdbrillen und Chinohosen?
Gurkenalarm
Ein weiterer Grillevent von Freunden fällt in die Zeit von EHEC. Es gibt wahre Massen an Fleisch, aber die Gastgeberin hat extra für mich einen veganen Salat gemacht, ausgerechnet mit Gurken. Ich hoffe das Beste. Es ist natürlich gut gegangen, die Gurken waren schließlich unschuldig. Schuld an der Infektionswelle im Frühsommer 2011 waren Sprossen aus ägyptischen Bockshornkleesamen. Über diese Sprossen hatten sich in Deutschland rund 4000 Menschen mit einem besonders gefährlichen EHEC-Stamm angesteckt. Der Stamm O104:H4 sondert ein sehr gefährliches Gift ab und verursacht zum Teil schwerste Durchfälle und Nierenschäden. Über 50 Menschen waren hierzulande an den Folgen der Infektion gestorben. Ganz aktuell, im Februar 2012, lese ich von einem neuen Fall in Deutschland, von einem kleinen Mädchen, das an EHEC gestorben ist. Diesmal ist es ein anderer, sehr verbreiteter Stamm. Wie sich das Mädchen infiziert hat, ist bislang unklar. Bei ihren Nachforschungen im Einzelhandel haben die Behörden einen Rohmilchkäse mit EHEC-Bakterien entdeckt. Allerdings waren die Keime darauf nicht die, die den Tod des Mädchens verursacht haben.
In »normalen« Jahren erkranken rund 1000 Menschen in Deutschland an EHEC, schwere Komplikationen und Todesfälle sind allerdings sehr selten. Die EHEC-Erreger gehören zu den Escherichia-coli -Bakterien (E. coli) und wurden erstmals 1977 entdeckt. Sie leben eigentlich im Darm von Wiederkäuern wie Rindern, Schafen und Ziegen, die selbst nicht daran erkranken. Die Keime können aber über ihren Kot, verschmutztes Wasser oder bei der Schlachtung auf Lebensmittel übertragen werden. Ansteckungen erfolgen laut Robert Koch-Institut (RKI) bei den am häufigsten betroffenen Kindern unter drei Jahren direkt über die Tiere, bei Älteren meist über nicht ausreichend erhitzte tierische Lebensmittel wie nicht durchgegartes Fleisch oder Rohmilchprodukte. Das RKI sieht etwa durch den »Verzehr von Lammfleisch und von streichfähigen Rohwürsten (Zwiebelmettwurst, Streichmettwurst, Teewurst)« ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Manchmal waren aber auch roh gegessene pflanzliche Lebensmittel wie die oben genannten Sprossen die Ursache. In den wenigsten Fällen ließ sich jedoch die genaue Infektionsquelle aufdecken.
Tier-Mensch-Beziehung
Zwei Drittel aller Infektionen beim Menschen sind sogenannte Zoonosen. So bezeichnet man Infektionskrankheiten – zum Beispiel durch Bakterien, Viren, Einzeller oder Pilze –, die von Tieren auf Menschen übertragen werden und umgekehrt. Die Übertragung kann über direkten Kontakt,
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