Kein Fleisch macht gluecklich
Mutationen zu durchlaufen. Auch eine Unterbrechung der Antibiotika-Behandlung kann den teilresistenten Bakterien die Zeit verschaffen, schließlich vollständig resistent zu werden und sich auszubreiten.
Eine Gefahr geht nicht nur von den resistenten Erregern selbst aus. Sie können die erfolgreiche Eigenschaft der Resistenz als genetische Informationsschnipsel über eine Art Bakteriensex an andere Bakterien weitergeben. Resistenzgene können auch übertragen werden, wenn ein resistentes Bakterium mit Viren infiziert ist. Die Viren können Bakteriengene einbauen und an andere Bakterien weitergeben. In beiden Fällen können die Erbinformationen an unterschiedliche Bakterienstämme weitergegeben werden.
Man hört gelegentlich, dass Menschen gegen Antibiotika resistent werden. Gemeint ist damit jedoch, dass bestimmte Bakterien dagegen resistent werden, die der Mensch auf oder in sich trägt. Immerhin machen Bakterien zahlenmäßig den Großteil von uns aus: 10 Billionen Körperzellen stehen 100 Billionen Bakterien gegenüber, von denen fast alle im Verdauungstrakt, vor allem als Darmflora im Dickdarm leben. Infektionen mit resistenten Erregern können bei Menschen (und Tieren) die Dauer einer Erkrankung verlängern oder deren Verlauf erschweren. Bisweilen sind dann Krankenhausaufenthalte nötig, oder es wird sogar lebensbedrohlich. Vor den möglichen Folgen der Entwicklung warnt das Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten: »Die Situation wird schlimmer mit dem Auftreten neuer Bakterienstämme, die gegen mehrere Antibiotika gleichzeitig resistent sind (bekannt als multiresistente Bakterien). Solche Bakterien könnten eventuell gegenüber allen vorhandenen Antibiotika resistent werden. Ohne Antibiotika könnten wir zum ›vorantibiotischen Zeitalter‹ zurückkehren, in dem Organtransplantationen, Krebs-Chemotherapie, intensivmedizinische Behandlungen und andere medizinische Verfahren nicht länger möglich wären.« (Übers. d. Autors)
Springen die üblichen Therapien zur Behandlung nicht an, sprechen die Mediziner von »Therapieversagern«. Ein prominentes Opfer multiresistenter Keime war der französische Schauspieler Guillaume Depardieu, der Sohn von – genau – Gérard Depardieu. Während einer Knieoperation hatte sich die Wunde mit dem berüchtigten Klinikkeim infiziert, dem eine Vielzahl von Antibiotika nichts anhaben kann. Infolge der Infektion wurde sein chronisch schmerzendes Bein nach 17 erfolglosen Operationen amputiert. Fünf Jahre später starb Depardieu mit nur 37 Jahren an einer nicht in den Griff zu bekommenden Lungenentzündung, was offenbar ebenfalls eine Folge der Infektion mit dem multiresistenten Erreger gewesen war.
Der Klinikkeim MRSA
Der berüchtigte antibiotikaresistente Klinikkeim ist eine Variante des Bakteriums Staphylococcus aureus , übersetzt heißt das »goldenes Traubenkügelchen«. Das klingt harmlos, und eigentlich ist der Keim es auch. An der Körperoberfläche und den Schleimhäuten sind die Keime kein Problem. 30 Prozent der Menschen in Europa tragen Staphylococcus aureus auf der Haut. Gelangen die Keime aber in Wunden oder treffen sie auf ein geschwächtes Immunsystem, drohen Wund- und Harnweginfektionen, Blutvergiftung und Lungenentzündung. Ich selbst habe nach einer Knie-OP damit unangenehme Bekanntschaft gemacht, mit hohem Fieber und der Notwendigkeit einer zweiten Operation, um die Wunde zu säubern. Die fehlerhafte Anwendung von Antibiotika in Krankenhäusern und unzureichende Hygiene fördern die Entwicklung von widerstandsfähigen Bakterienstämmen, so auch bei Staphylococcus aureus . Da man den widerspenstigen Klinikkeim früher anhand seiner Unempfindlichkeit gegenüber dem Antibiotikum Methicillin nachgewiesen hat, nennt man ihn MRSA, also methicillinresistenten Staphylococcus aureus . Methicillin wird allerdings seit vielen Jahren nicht mehr therapeutisch eingesetzt. Oft übersetzen – auch Mediziner – MRSA mit multiresistenter Staphylococcus aureus . Das passt noch besser, denn inzwischen ist MRSA gegen viele weitere Antibiotika unempfindlich, darunter auch Penicillin. Je nach Land ist der Anteil an multiresistenten Varianten bei Staphylococcus aureus in Europa sehr verschieden und reicht von wenigen bis zu etwa 50 Prozent. Für Deutschland gibt das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) die Verbreitung im Jahr 2010 mit etwas über 20 Prozent an. Das Robert Koch-Institut geht
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