Kein Fleisch macht gluecklich
Sterblichkeitsrate von fast jedem fünften Infizierten Sorge. Die Zahl der Infektionen hat sich laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) um fast 20 Prozent erhöht. Listerien wurden sogar in verzehrfertigen Lebensmitteln wie Räucherfisch, hitzebehandelten Fleischerzeugnissen und Käse nachgewiesen.
Bakterieller Informationsaustausch
Unglücklicherweise zeigen sich Gift bildende E. coli , Campylobacter und Salmonellen zunehmend gegen moderne Antibiotika resistent, darunter solche, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als besonders wichtig für die Humanmedizin einstuft. Diese Resistenzen fand man ebenfalls bei den an sich harmlosen E. coli in Masthühnern und -kälbern sowie auf dem Fleisch von Hühnern, Puten und Schweinen. Man spricht hierbei von Extended Spectrum Beta-Lactamasen oder kurz ESBL bildenden E. coli . Sie können Enzyme herstellen, die »Beta-Lactamasen mit breitem Wirkungsspektrum«, die Antibiotika der Gruppe Beta-Lactame unwirksam macht. Dazu zählt etwa das gute alte Penicillin. Die Zahl der Infektionen mit ESBL bildenden E. coli beim Menschen liegt bereits über der von MRSA. Die Ansteckung erfolgt anders als bei MRSA meist nicht in Krankenhäusern, und die Betroffenen sind im Schnitt 20 Jahre jünger. Zwar erkranken nicht alle Infizierten, bei manchen kann eine Infektion aber lebensbedrohlich werden. Die Behandlungsmöglichkeiten sind in einem solchen Fall begrenzt, und die Ärzte müssen auf Reserveantibiotika zurückgreifen. Ältere, Kranke, Kinder, Schwangere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem sind auch bei ESBL-Infektionen besonders gefährdet.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt vor einem weiteren Problem: Wie bei anderen Keimen können auch hier die Resistenzinformationen im menschlichen Darm an andere Bakterien weitergegeben werden. Die Empfänger der Resistenzgene können harmlos sein, aber auch krank machen. Das zur menschlichen Darmflora gehörende E. coli etwa kann an anderen Stellen Erkrankungen auslösen und gilt als Hauptverursacher von Harnweginfekten. Mit dem ESBL-Gen ausgestattet, ließen sich solche E.-coli -Infektionen nur noch sehr schwer behandeln. Für den starken Anstieg von ESBL-Infektionen beim Menschen scheint ebenfalls die Tierhaltung ein bedeutender Faktor zu sein. Das BfR sieht in der Übertragung ESBL bildender Bakterien von Tieren ein Gesundheitsrisiko für den Menschen und hält eine Ansteckung über Lebensmittel für möglich. Wer häufiger in Kontakt mit rohem Fleisch kommt und nicht penibel die Regeln der Küchenhygiene einhält, ist daher stärker gefährdet.
Wie im Saustall
Warum kommen überhaupt so viele resistente Keime aus der Tierhaltung? Natürlich, weil dort so viele Antibiotika eingesetzt werden. In den USA ist der Einsatz von Antibiotika nicht nur vorbeugend, sondern auch als Wachstumsbeschleuniger erlaubt – als würden die Nutztiere nicht ohnehin schon unter ihrem Turbowachstum leiden. Wenigstens der Einsatz als Wachstumsförderer ist in der EU seit 2006 verboten. Der Umsatz mit Antibiotika hat dennoch erst einmal deutlich zugelegt. Ob das allein mit den wachsenden Beständen zu erklären ist? Sobald ein Tier im Stall erkrankt, wird auch in Deutschland der gesamte Bestand vorbeugend behandelt – selbst bei harmlosen Infektionskrankheiten. Wenn ein Tierarzt unter 30000 Küken ein krankes Tier fände, reiche das aus, um vorsorglich alle mit einem Antibiotikum zu behandeln, kritisiert Rupert Ebner in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Der praktizierende Tierarzt und Rinderzüchter kennt die Branche. Er war bis vor ein paar Jahren Vizepräsident der bayerischen Landestierärztekammer. Der Landvolkkreisverband Hannover, ein Interessenverband von Bauern und Tierhaltern, schreibt über diese Praxis: »Die Behandlung von Einzeltieren ist in der Regel nicht möglich bzw. wenig Erfolg versprechend aufgrund des dynamischen Geschehens im Falle von Infektionskrankheiten.« Natürlich ist der Infektionsdruck in den vollen Stallungen hoch. Der Fehler liege aber im System, glaubt Ebner, denn Massentierhaltung lasse sich nur mit einer hohen Medikamentierung der Tiere aufrechterhalten. Je mehr Tiere auf engem Raum gehalten werden und je mehr Nutztiere einer Art innerhalb einer Region vorkommen, desto größer ist auch das Erkrankungsrisiko. Durch hohe Besatzdichten und prinzipiell hohe Tierzahlen in
Weitere Kostenlose Bücher