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Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Hände und schien sie zu zählen. Etwa bei sieben blickte er auf. »Was hältst du von Erler?«
    Matzbach zog die Oberlippe zwischen die Zähne und schüttelte stumm den Kopf.
    »Nein? Wieso nicht?«
    »Wegen Albo und Co. Okay, Erler will das Schiff und ist bereit, dafür zu zahlen. Aber wozu sollte er Albo umnieten, ihn uns vor die Tür legen und hinterher einerseits dick den Namen auf eine Überweisung oder Einzahlquittung schreiben, um nur ja Spuren zu hinterlassen, und andererseits dann eine unlesbare Unterschrift? Vor allem, wozu das Ganze?«
    Yü schwieg.
    Matzbach seufzte. »Gestern hat er ja beinahe gedroht. Vielleicht war Albo die erste Drohung. Aber es ist Unsinn.«
    »Apropos Drohung.« Yü wies mit dem Daumen zum Kombüsendurchgang. »Ich hatte vergessen, dir mitzuteilen, daß sich gestern nachmittag eine ziemlich übel zerfetzte und verweste Ratte im Gemüse aufhielt.«
    »Wählerisches Tier. Und?«
    »Heute waren es zwei. Ich hab schon angerufen; der Fahrer sagt, er hätte die übliche Lieferung zur üblichen Zeit vor die Tür gestellt, und es seien garantiert keine Ratten dringewesen. Dann hat er noch gesagt: ›Wir liefern unser Gemüse ohne Fleischbeilage, Herr Yü.‹ Fällt dir was ein?«
    »Eins zwei drei vier fünf«, sagte Matzbach. »Wenn die Gemüsekiste da rumsteht, kann im Prinzip jeder Passant eine Ratte hineinlegen. Ich tippe auf Abgeordnete auf dem Heimweg von einer Plenarsitzung.«
    Sie erörterten diverse Möglichkeiten, ohne zu einer überzeugenden Erklärung zu gelangen. Schließlich sagte Yü:
    »Ach ja, lassen wir das erst mal. Es gibt noch eine Neuigkeit, nicht ganz so bedrohlich. Dany hat ihren Weinberg verscherbelt und nimmt ab heute abend ein paar Tage Resturlaub von der Gemeinde. Deshalb kommt sie nachher.«
    Daniela Dingeldein, Yüs Freundin, arbeitete halbtags in der Gemeindeverwaltung eines Nests an der mittleren Ahr und hatte bisher nach Feierabend ererbte Weingefilde gehegt. Matzbach betrachtete Yüs ausdrucksloses Gesicht.
    »Da ist doch noch was«, sagte er. »Du klingst so asiatisch. Entrunzle deine Stirn und sprich.«
    »Sie überlegt, ob sie den Job drangibt und herkommt. Falls wir einen Job hier an Bord für sie haben.«
    Matzbach schnaubte. »Da soll sie doch lieber mit der Kündigung noch ein paar Tage warten. Zwischen zerschlitztem Albo, unzerstückeltem Erler und verwesten Ratten erscheint mir der Kurs, den dieser Nachen steuert, im Moment allzu unsicher; sagt nicht schon dein Opa Konfuzius, daß ein wurmstichiger Flößer nur wasserdichte Passagiere aufnehmen soll?«
    An diesem Abend gab es die üblichen Probleme mit schlechterzogenen Gästen. Jemand beschwerte sich darüber, daß die »zweifellos köstlichen« westafrikanischen Speisen – Tshatos Spezialität; sie machten kaum ein Sechstel des Angebots aus – erstens nicht ausreichend beschrieben seien und zweitens wie alle anderen ohne genaue Angaben über Nährwert, Salz-und Cholesteringehalt auf der Karte stünden. Von einem anderen Tisch kamen Klagen über ein nicht ausreichendes Angebot an Vollwertnahrung; überdies lasse das Fehlen des entsprechenden Hinweises darauf schließen, daß die Gemüse des Hauses keineswegs biodynamisch produziert seien. Drei Damen, vertieft in eine Erörterung der faschistoiden Grundzüge des pseudoliberalen Neopatriarchats, bestanden darauf, nicht von Lucy bedient zu werden, da es zutiefst unfeministisch sei, den mißbräuchlichen Einsatz von Frauen bei niedrigen Dienstleistungsrängen hinzunehmen. Als Matzbach, mit vollen Zähnen lächelnd, sich erkundigte, ob er den schwarzen, demnächst zum mosaischen Glauben übertretenden Sklaven aus dem Keller holen solle, verließen sie die
Spelunke
. Dann gab es da noch den eiligen Gast, der schnell etwas Gewöhnliches essen wollte, etwa ein »Sintiundromaschnitzel«, nicht diesen »exotischen Mischmasch«; er sei doch kein blöder Ausländer.
    Es war heiß; die Klimaanlage des Boots focht wacker wider die Luftschwaden, die vom nicht überdachten Bugdeck hereinzogen, so oft einer der im Freien speisenden Gäste durch Notdurft oder Bestellung ein Öffnen der Tür verursachte. Gegen neun erschien Daniela, unwiderstehlich verschwitzt in einem weißen Kleid, und verschwand gleich mit Yü in dessen Suite unterm Bugdeck. Der Betrieb litt nicht; Matzbach, Lucy und Red Horse waren frau-und-manns genug, ihn zu bewältigen. Außerdem ging Zaches ihnen zur Hand; der Kleine trank an diesem Abend nur Tonic und wuselte auf Stelzen hinterm Tresen

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