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Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Unsinn.«
    Neumann gluckste. »Können Sie denn Philosophie und Unsinn voneinander unterscheiden?«
    Matzbach wanderte zu einem der Regale und lehnte sich mit dem Rücken an eine alte Schopenhauer-Ausgabe. »Das ist eine gute Frage, auf die wir bei Gelegenheit nicht zurückkommen sollten. Wissen Sie, es gibt da Sätze, die sind so banal, daß man sie für ungeheuer tiefschürfend hält, weil ein Philosoph eigentlich gar nicht so banal sein kann. Wittgenstein, zum Bleistift, hat gesagt, wovon man nicht reden kann, davon muß man schweigen. Ungefähr so aufregend wie ein paar Kernsätze eines anderen Philosophen, Sepp Herberger: Der Ball ist rund; der nächste Gegner ist immer der schwerste. Heidegger konnte so was auch – das Nichts nichtet, zum Beispiel. Kluge Leute grübeln dann jahrelang über so was und finden es toll, dabei ist es schon sprachlich der lautere Humbug. Das Nichts, das nicht existiert, kann nichts tun, also auch nicht nichten. Es kann ja nicht mal nicht nichts tun. Das Loch locht auch nicht. Dafür ist der Locher da.«
    Neumann ging zum Schreibtisch und nahm ein paar Blätter auf. »Aha. Na ja. Also, hier liegt noch mehr so Zeug.«
    Matzbach ging zu ihm, nahm die Papiere, überflog sie, kicherte leise und räusperte sich. »Nee, das ist ganz anders. Ist zwar auch Unsinn, aber die Sprache ist ganz klar und einfach.«
    Er holte Luft und begann in vollmundig unschwäbischem Hochdeutsch zu deklamieren, wobei er mit der Zigarre in der Luft eine eher abstrakte Zeichensetzung vornahm.
    » ›So kann man denn nun, befangen in verständiger Befindlichkeit, und ohne Obdach unter dem Flickenschirm dröhnender Metaphern zu nehmen, sowie auch keineswegs ungefüge oder rechtlos, jenen Südamerikaner anführen, der bemerkte, es sei ihm eine tiefe Befriedigung gewesen, daß jener Philosoph, der ein so grauenhaftes Deutsch schreibe, mit den Nazis paktiere. Deren größter Erfolg war es bekanntlich, alles Deutsche grauenhaft zu besudeln.‹ «
    Neumann hielt sich die Ohren zu. »Und was soll das alles?«
    Matzbach legte die Papiere zurück auf den Tisch. »Ihr werter toter Onkel hat wahrscheinlich an einer neuen Vorlesung gearbeitet. Oder an einem Buch. Irgendwie erinnert mich das hier an was ...« Er schloß die Augen und grunzte.
    Neumann ging zum Fenster und deutete auf den kleinen Radiorecorder. »Da gibt’s aber noch was.«
    »Und zwar?«
    Der Autobastler öffnete das Gehäuse des Geräts und hielt ein kleines Döschen hoch. »Hier.«
    »Was ist das?«
    Langsam, überdeutlich sagte Neumann: »Ein batteriebetriebener Störsender.«
    »Wen stört so was?«
    »Zum Beispiel einen Herzschrittmacher. Wie Onkel Carlo einen hatte.«
    Später, als sie sämtliche Details noch dreimal durchgegangen waren, ohne etwas Sinnvolles herauszufinden, machte Matzbach »Hausaufgaben, aber ungern.« Aus der Gladstone-Tasche holte er diverse Utensilien, bestaubte Schreibtischplatte, Rollstuhllehnen, Recorder und ein paar andere Dinge, machte Nahaufnahmen und brabbelte unausgesetzt vor sich hin. Schließlich ließ er sich von Neumann in den Garten führen.
    »Lehm, sagt man, wuchert nicht in geschlossenen Räumen. Wo kommt der Dreck her, den die Putzfrauhaushälterin so sorgsam zu entfernen sich nicht enthalten mochte?«
    »Wahrscheinlich von hier. Da war mal ein Gärtner zuständig, aber den hab ich gleich abbestellt. Soweit ich weiß, ist seit dem Tod von Onkel Carlo nichts gemacht worden.«
    Es gab halbverwilderte Beete, eine geschlossene Rasenfläche, Stauden, Zierbäumchen. Und rechts, links sowie am hinteren Ende Ziegelmauern. Hinten und links, sagte Neumann, lägen Nachbargärten; die rechte Mauer trenne den Garten von einer Nebenstraße.
    In der Erde zwischen den üppigen Forsythien an der Mauer rechts fanden sie, was Matzbach gesucht hatte: Fußab-drücke. Neumann holte einen Napf mit Wasser und die Gladstone-Tasche, während Matzbach die Schuhgröße begrübelte.
    »Mindestens siebenundvierzig«, sagte er, als er Gips rührte und in den besten Abdruck goß. »Mon dieu, was für Galoschen. Kennen wir wen, der auf so großem Fuße lebt?«
    Aber Tobias Neumann kannte keinen.

7. Kapitel
    Gott hätte nicht das Auto erfunden, wenn er wollte, daß ich zu Fuß gehe.
    J. E. M ORPURGO
    Matzbach fuhr hinter Neumanns altem Peugeot her. Die Bastelei befand sich im Hinter-Hinter-Hinterhof eines Komplexes aus Möbelhaus, Bürobedarf, Tankstelle und Speditionslager in Beuel-Süd. Vor der Werkstatt standen ein MG, ein antiker Mini und eine

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