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Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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durch kann, sonst wär’s ne feine Festung.« Er bewegte den schweren Teakstuhl, als wäre es ein Puppenmöbel, setzte sich neben Rapunzel und legte die linke Hand auf ihren Arm. »Aber keine Sorge; ich hab schon offenere Buden gehütet.«
    Hermine Päffgen stand auf und blickte Matzbach an. »Kommen Sie mal eben mit? Ich wollte Ihnen was zeigen.«
    »Aber
avec plaisir

    Er folgte ihr die seitlichen Stufen der Veranda hinab in den Garten, dann den schmalen, umwucherten Weg zur Kopfseite des Ateliergebäudes. Hinter sich im Dunkeln hörte er plötzlich Rapunzel kichern.
    »Er ist ein todsicherer Ladykiller«, sagte er halblaut.
    Hermine schloß die Tür zum Atelier auf. »Ich glaube nicht, daß Rapunzel viel dagegen hätte. Immerhin ... was bleibt ihr denn noch?«
    Sie schaltete das Licht ein, zog die Tür auf und ging an einen Tisch in der Mitte des riesigen Raums. Matzbach hielt ein wenig Abstand, um besser bewundern zu können, wie die große, kräftige Frau der Schwerkraft trotzend zu schweben schien. Sie war barfuß und trug ein kurzes leichtes Leinenkleid. Er seufzte.
    »Wem bleibt schon was!« sagte er.
    Sie blieb am Tisch stehen und warf ihm einen schrägen Blick zu. »Wie meinen Sie das?«
    Er hob die Schultern. »Ich erinnere mich an eine phantastische Story, ich weiß nicht mehr von wem. Die Götter in der Geschichte, nicht allwissend, auch nicht allmächtig, waren immerhin unsterblich. Und sie haben sich gelegentlich gelangweilt. Einer von ihnen sagte irgendwas über Schnaps, Schach und Schmusen – alles andere würde mit der Zeit unerträglich schal.«
    Sie nickte; ein flüchtiges Lächeln zuckte um die vollen Lippen. »Fühlen Sie gerade die Last der Unsterblichkeit, oder was?«
    »Mitnichten. Ich glaube nur, daß Sterbliche sich da nicht sehr von dieser Sorte Götter unterscheiden. Und je näher das Ende rückt ...«
    »Schnitzen«, sagte sie leise. »Kommt jedenfalls bei mir dazu.« Sie nahm eine Holzscheibe vom Tisch, etwa 50 cm im Durchmesser und 10 cm dick. »So was, etwa.«
    Matzbach betrachtete das Objekt. »Entzückend«, sagte er. »Ich bin verblüfft und gerührt, Madame Hermeline. Die Schweinsäuglein sind trefflich gelungen, desgleichen der Knubbel, den als Nase auszugeben ich bisweilen Schwierigkeiten habe.«
    Sie legte das Teak-Porträt beiseite und berührte Matzbachs Kinn mit spitzem Finger. »Ich brauchte noch den einen oder anderen längeren Blick aufs Original, um die Fälschung gut hinzukriegen. Das gekerbte Cäsarenkinn, zum Beispiel.«
    Matzbach nahm ihre Hand und hauchte eine Art Kuß auf die Fingerspitze. »Nur ungern dränge ich Euch meine Physiognomie auf, verehrte Hermione. In vorteilhaftem Zwielicht bin ich zweifellos erträglicher.«
    Sie lachte. »Meinen Sie, wenn Rapunzel hier unter Bewachung ist, dürfte ich sie mal einen Abend allein lassen? Ich würde gern mal diese schwimmende Kneipe sehen. Die ist doch angeblich zwielichtig genug.«
    Vor der Tür seiner Wohnung stand ein kleiner Farbeimer, in dem der Pinsel steckte. Auf die Tür war mit klebrigem Rot etwas gemalt. Es las sich wie KEIN OBDACH , aber Matzbach war nicht sicher. Sicher genug allerdings, um zu fluchen.
    Mit einem Nachhall des letzten halblauten Fluchs – eher einem Nachgeschmack, wie von fauligem Fisch in Anistunke – erwachte Baltasar gegen elf Uhr. Zähneputzen ergänzte den Geschmack um etwas Schmierseifiges, das die anderen Komponenten nicht überdeckte. Halbwach verließ Matzbach das Haus und wanderte zu einem Laden in Nähe des Stadthauses, der echte Milch anbot statt homogenisierter Plastiksuppe. In seiner Behausung (an diesem Morgen erschien sie ihm als Futteral) rührte er mit Sahne drei Eßlöffel Bensdorp-Kakao an, brachte einen Liter Rohmilch zum Kochen, tat vier Eßlöffel Zucker in die dampfende Kanne, rührte abermals, füllte einen Halbliter-Humpen, trank gründlich, füllte nach und hockte sich mit Humpen und Havanna auf die Fensterbank, um heftig zu denken.
    Thema der Übung war die Beschaffung von Informationen. Matzbach brauchte nicht sehr lange, um nahezu alle legalen oder halböffentlich gangbaren Wege zu diesem Ziel auszuschließen. Was er wissen wollte, stand auch in keinem Nachschlagewerk.
    Irgendwann beendete er den Prozeß des Klärens, indem er unter die Dusche ging, sich anzog und das Haus verließ. Der kleine fette Rothaarige mit abgekauten Nägeln und Sommersprossen, der wässrige Augen hinter monströs dicken Gläsern verbarg, wohnte nicht allzuweit entfernt und war zu

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