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Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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dabei«, sagte Matzbach. »Einen Recorder mit Auto-Reverse und einer Kassette, auf der jemand mit grauenhaftem schwäbischen Akzent Passagen aus
Sein und Zeit
verliest – eines der Werke, die der gute Carlo ins Deutsche übersetzen wollte, um nachzuweisen, daß es sich um bloße heiße Luft und Nonsens handelt. Aber bevor er den Recorder installierte, hat unser Besucher, wie gesagt, die Batterien eingebaut. Dazu mußte er hinter dem Rollstuhl knien, und dabei hat er den Rollstuhl samt Passagier so hart an die Schreibtischkante gedrückt, daß Carlo sich nicht mehr bewegen konnte. Hat Carlo da eigentlich angefangen zu protestieren? Ah, egal.«
    Huber reagierte nicht; er saß starr auf dem Sessel, ohne sich zurückzulehnen, und hielt die Augen geschlossen. Die Hände krampften sich eher in als um die Armlehnen.
    Matzbach bückte sich wieder und wickelte das Deckenbündel auf; die zwei langen Styroporkisten kamen zum Vorschein. Neumann, der bis jetzt relativ gelassen in einem der anderen Sessel gelehnt hatte, richtete sich auf.
    »Die Kistchen hatte der Besucher auch dabei«, sagte Matzbach. »Und darin waren Eisbarren – zwei in jeder?«
    Neumann öffnete den Mund, sagte halblaut: »Hah!« und sackte in den Sessel zurück.
    »Wie kriegt man ausreichend lange und dicke Eisbarren hin?« Matzbach zupfte am linken Ohrläppchen. »Egal. Ich nehme an, der Besucher verfügt über eine Kühltruhe und hat sich entsprechende Förmchen gebastelt. Die Eisbarren hat er dann durch die Hinterräder des Rollstuhls geschoben. Die sind
so
weit hinten, daß Carlo nicht einmal mit Affenarmen das Eis hätte rausziehen können. Er kann erst von der Schreibtischkante weg, wenn das Eis geschmolzen ist, wenn sich der Teppichboden dank des Schmelzwassers zu wellen beginnt. Mit funktionierenden Batterien hätte er die Barren vielleicht durch Vor- und Zurückschaukeln loswerden können, oder zerbrechen. Aber die Batterien waren ja leer.«
    Matzbach ließ die Styroporkisten fallen und deutete auf den Recorder.
    »Es ist aber Sommer; irgendwann werden die Eisbarren schmelzen. Deshalb muß man nachhelfen. Der nette Besucher, der in seiner Studienzeit an Radios herumgebastelt hat, weiß, daß Carlo ein schwaches Herz und einen Schrittmacher hat und sich nicht aufregen darf. Und: daß er alles haßt, was mit Schwaben und mit Heidegger zu tun hat. Der kleine Störsender im Recorder wird den Schrittmacher aus dem Takt bringen, das Band mit Heidegger auf Schwäbisch wird das Herzchen terminal? final? jedenfalls endgültig aufregen. Der Besucher zieht noch das Telefon aus der Wand, und dann fährt er nach Wesel, um einen gutbezahlten Vortrag zu halten. Nachts wollte er zurückkommen und Spuren beseitigen. Aber dann hatte er leider auf der Hinfahrt einen Unfall, und wenn er nicht so sagenhaft blöd gewesen wäre, aus dem Krankenhaus in Hilden, wo er von Paderborn nach Wesel unterwegs gar nicht vorbeikommt, einen triefenden Brief zu schreiben, hätte ihm niemand etwas anhaben können. Und« – Matzbach trommelte sich wie King Kong auf die Brust – »wenn nicht zufällig der Neffe des guten Carlo, mißtrauisch, ausgerechnet mich konsultiert hätte.«
    Huber sagte heiser, noch immer mit geschlossenen Augen: »Ich habe ihm ja noch goldene Brücken gebaut, aber das dumme Schwein wollte unbedingt diese ... Übersetzungen veröffentlichen.«
    Matzbach setzte sich endlich in den dritten Sessel, wickelte eine Zigarre aus und zündete sie an.
    »Hier wird nicht geraucht«, sagte Huber schwach.
    »Ah ja?« Matzbach gluckste. »Trifft mich tief. Weißt du, wenn du uns noch etwas Anständiges zu trinken angeboten hättest, Bordeaux oder Burgunder oder Rioja, hättest du vielleicht mein Herz erweicht. Aber Rotspon ...«
    »Und jetzt?« sagte Huber kaum hörbar.
    »Wir haben die Aussage der Kinder. Wir haben die Batterien und die Styroporkisten aus deinem demolierten Wagen. Wir haben den Recorder, auf dem spätestens seit dem Auspacken vorhin deine Fingerabdrücke sind ...«
    »Arsch!«
    »Und den Gipsabdruck, der bestimmt zu einem deiner Schuhe paßt. Du bist ganz wild darauf, mit uns noch einen angenehmen Abend zu erleben. Deshalb wirst du gleich deine charmante Haushälterin bitten, die Gästebetten zu beziehen. Wir werden sehen, ob du auch trinkbaren Wein im Keller hast, und uns über dies und das unterhalten.«
    »Und dann?«
    »Morgen früh mußt du dich entscheiden. Ob du mit uns zur nächsten Polizeidienststelle gehst, wo wir die Objekte deponieren und du ein

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