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Kein Freibier für Matzbach

Kein Freibier für Matzbach

Titel: Kein Freibier für Matzbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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wurde, ehe er ein Wort hätte sagen können, von der sphärischen Kellnerin überrumpelt, bestellte verzweifelt ein Pils und Bratkartoffeln mit Spiegelei und atmete auf, als die Dame ging.
    »Mann«, sagte er. »O Mann. Dies ist, für den Fall, daß du heute deinen empfindsamen Tag hast und mich einen Sexisten heißt, ein geschlechtsunabhängiger Ausruf des Sich-Überwältigt-Fühlens. Hast du alles besorgt?«
    Tobias wischte sich mit dem Unterarm das Grinsen aus dem Gesicht und nickte. »Alles wie besprochen. Karte, Fahranweisungen und zwei Flaschen Rotwein.«
    »Was Gutes?«
    Neumann hielt ihm die Plastiktüte hin; Matzbach schielte hinein und jaulte leise.
    »Rotspon! Hoffentlich legt Ottolein den in den Keller, statt ihn uns anzubieten.«
    »Was ist damit? Nicht gut?«
    »Früher mal.« Baltasar zündete einen dünnen schwarzen Zigarillo an. »Da haben die zuständigen Handwerker in den Hansestädten des Nordens Fässer gebaut. Wie heißen die Jungs gleich? Küfer, Böttcher? In die Fäßlein wurden Salzheringe gepackt und nach Bordeaux verschifft, allwo man die Fässer leerte, einmal durchspülte und mit Landwein füllte. Das eigenartige Aroma, das nach der Rückfahrt den Wein durchdrungen – ach, was sag ich, penetriert hatte, trug zu seiner Popularität bei, vor allem bei Groschenautoren des neunzehnten Jahrhunderts. Heute ist es normalerweise nichts als für Hanseaten gesüßter Landwein aus Bordeaux. Bah.«
    Neumann musterte sein »Jägerschnitzel« – Sohle, Gumminippel und Kinderschiß. »Gibt es eigentlich irgend einen Unfug, den du nicht weißt?« sagte er.
    »Ich sammle Bildungslücken«, knurrte Matzbach.
    Punkt acht hielten sie vor dem Haus des Professors. Neumann trug den Plastikwein und eine Reisetasche, Matzbach ein längliches Deckenbündel und eine weitere Plastiktüte.
    Die Haushälterin, die nach dem Klingeln öffnete, musterte sie mit spitzen Blicken. »Die Herren Kommilitonen?«
    »Ich«, sagte Baltasar. »Jener ist der Forstadjunkt.«
    »Kommen Sie. Der Herr Professor erwartet Sie.«
    Der Herr Professor, dessen steife Haltung die Restbandagen unterm Hemd ahnen ließ, stand in der Bibliothek neben einem schweren roten Ledersessel; er hielt ein zerlesenes Taschenbuch in der Hand. Matzbach sah noch den halben Titel,
Mörder&
, ehe Huber das Buch weglegte und ihn anstarrte.
    »Das ist doch ...« Er hustete und hielt sich die Rippen; das Lächeln, das er produzieren wollte, ähnelte eher der Nachgeburt einer Grimasse. »Matzbach? Ich glaub’s nicht!«
    »Doch, doch, glaub’s ruhig. Einunddreißig Jahre her, was?«
    Huber war fast kahl; die graue Tonsur hatte für Matzbach etwas Parodistisch-Philosophisches: Der Haarkranz wies struppig abwärts, eine Art Stacheldraht, der dafür zu sorgen hatte, daß dem Philosophen nicht etwa sein Körper zu Kopf steige.
    Ehe Huber auf den Gedanken kommen konnte, man müsse Händeschütteln oder Namenstausch betreiben, sagte Matzbach: »Wir haben dir auch was mitgebracht.« Er hielt ihm die erste Plastiktüte hin.
    »Ein Glas Wein?« sagte Huber. Als beide nickten, rief er:
    »Frau Heidenreich! Bringen Sie uns bitte den Rotspon und drei Gläser!« Dann, immer noch stehend, nahm er die Tüte entgegen, musterte Neumann, der ihm nicht vorgestellt worden war, wurde von Neugier übermannt und langte in die Tüte.
    »Setzt euch ... eh, setzen Sie sich doch«, sagte er dabei. Er hielt zwei Päckchen hoch: braunes Packpapier. Der Inhalt schien jeweils Buchformat zu haben. Huber spitzte die Lippen und zerriß das Papier.
    »Oh«, sagte er dann, mit einem nur noch halb mühseligen Lächeln. »Wie aufmerksam, Alter. Eine Erstausgabe von
Sein und Zeit
, sehr gut erhalten. Und das ist? Ah,
Vom Wesen des Grundes
. Du wirst dir denken können, daß ich sie bereits besitze ...«
    »Schlag mal das Vorsatzblatt auf«, sagte Matzbach.
    Huber blätterte. Dann pfiff er. »Signiert!« Er strahlte. »Mensch, das muß dich doch ein Vermögen gekostet haben!«
    »War es mir wert. Einem alten Kumpel ein Vergnügen machen zu können«, sagte Matzbach. »Ich hab aber noch was.«
    »Also, das ist doch wirklich nicht nötig!« Huber schien tatsächlich verlegen und gerührt. Während Frau Heidenreich mit spitzen Fingern eine Flasche Rotspon (Matzbach ächzte innerlich) und drei Gläser brachte, nahm Baltasar das größere Paket aus der von Neumann hingehaltenen Reisetasche. Lächelnd wartete er, bis die Dame wieder gegangen war; dann reichte er es Huber.
    »Und das dürfte dich ganz

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