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Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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hatte es nicht verdient, Opfer dummer und plumper Schikane zu werden. Und es war fraglos dumm von ihm gewesen, Hunter in der Manier eines Redneck-Sheriffs wie einen Aussätzigen in einem schlechten Film einschüchtern zu wollen.
    Gestern Nacht hatte Matt Hunter über Lances scheinbar einfältigen Versuch gespottet, das Böse aus seiner hübschen Stadt fernzuhalten. Aber Matt hatte das falsch verstanden. Lance war nicht naiv. Er wusste, dass es kein schützendes Kraftfeld um die glücklichen Vororte gab. Und genau das war das Problem. Die Leute arbeiteten hart, um sich ihr Leben aufzubauen. Sie trafen sich mit Gleichgesinnten und richteten sich eine schöne Gemeinde nach ihrem Geschmack ein. Dann kämpften sie darum, sie zu erhalten. Wenn sie ein potentielles Problem sahen, ließen sie es nicht gären. Sie beseitigten es. Sie handelten bereits im Voraus. So hatte er es bei Matt Hunter gemacht. So setzten sich Männer wie Lance Banner für ihre Heimatstädte ein. Sie waren Soldaten, die an vorderster Linie kämpften und zu den wenigen gehörten, die sich wirklich in die Pflicht nehmen ließen, damit andere, zu denen auch Lances Familie gehörte, ruhig schlafen konnten.
    Als seine Kollegen bei der Polizei laut darüber nachgedacht hatten, ob sie etwas unternehmen sollten, als Wendy, seine eigene Frau, die mit Matt Hunters kleiner Schwester zur Schule gegangen war und sie für »das größte Miststück unter der Sonne« hielt, etwas von der Sache mit dem verurteilten Mörder gehört hatte, der in ihr Viertel ziehen wollte, als ein Gemeinderatsmitglied ihn mit der schlimmsten Sorge der Vororte konfrontiert hatte – »Lance, ist dir klar, was dann aus den Grundstückspreisen wird?« –, hatte er gehandelt.

    Und jetzt war er sich nicht mehr sicher, ob er das bedauerte oder nicht.
    Er dachte an sein gestriges Gespräch mit Loren Muse. Sie hatte nach dem jungen Matt Hunter gefragt. Ob Lance frühe Anzeichen einer Psychose bemerkt hatte? Die Antwort war ein klares Nein. Hunter war weich gewesen. Lance erinnerte sich noch daran, wie Matt bei einem Spiel in der Little League geweint hatte, als ihm ein Flugball aus der Hand gefallen war. Sein Vater hatte ihn getröstet, während Lance sich gefragt hatte, was das denn für ein Baby war. Aber – und das war vielleicht die Kehrseite von Lorens Studie über frühe Anzeichen von Problemen – Menschen konnten sich verändern. Es war nicht alles im Alter von fünf Jahren vorherbestimmt, wie Loren es behauptet hatte.
    Der Haken daran war, dass diese Veränderung immer, immer, zum Schlechteren war.
    Ein junger Psychotiker wird nie zu einem produktiven Mitglied der Gesellschaft werden. Niemals. Aber man findet jede Menge Leute, die mit den richtigen Werten aufgewachsen sind, vernünftige Menschen, die die Gesetze beachtet und ihre Nachbarn geliebt haben, nette Menschen, die Gewalt abstoßend fanden und den schmalen Pfad der Tugend wandeln wollten – man findet eine Menge solcher Menschen, die dann doch plötzlich schreckliche Dinge tun.
    Und zwar aus den verschiedensten Gründen. Manchmal war es, wie bei Hunter, einfach Pech – aber drehte sich nicht das ganze Leben fast nur um Glück und Pech? Die Erziehung, die Gene, die Lebenserfahrung, Lebensumstände, weiß Gott was – es war alles ein einziges Würfelspiel. Matt Hunter war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Heute spielte das keine Rolle mehr. Man sah es in seinen Augen. Man sah es an seinem Gang, den grauen Strähnen in seinen Haaren, seinem Blinzeln, dem Ernst in seinem Lächeln.

    Manche Menschen zogen das Unglück an. Es heftete sich an ihre Fersen und ließ sie nie wieder los.
    Und so platt sich das auch anhörte – man wollte diese Menschen einfach nicht in seiner Nähe haben.
    Lance klopfte an Marsha Hunters Tür. Die beiden Streifenpolizisten standen rechts und links hinter ihm. Die Sonne würde bald aufgehen. Sie horchten.
    Nichts.
    Er sah die Klingel. Marsha Hunter hatte zwei kleine Kinder. Wenn Matt nicht hier war, würde er ein schlechtes Gewissen haben, weil er sie geweckt hatte, aber das ließ sich nicht ändern. Er drückte den Knopf und hörte das Läuten.
    Immer noch nichts.
    Er versuchte auf Verdacht einfach mal, den Knauf zu drehen, vielleicht war die Tür ja offen. Sie war abgeschlossen.
    Der Polizist rechts von Lance wurde unruhig. »Sollen wir sie eintreten?«
    »Noch nicht. Wir wissen ja nicht mal, ob er da ist.«
    Wieder drückte er auf die Klingel und hielt den Knopf gedrückt, bis es

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