Kein Friede den Toten
auch ein drittes Mal läutete.
Der andere Polizist sagte: »Detective?«
»Einen Moment noch«, erwiderte er.
Wie aufs Stichwort ging das Licht in der Diele an. Lance versuchte, durch das Reliefglas zu blicken, aber es verzerrte zu stark. Er drückte sein Gesicht an die Tür und guckte, ob sich etwas bewegte.
»Wer ist da?«
Die Frauenstimme klang zaghaft – was unter den Umständen aber auch verständlich war.
»Hier ist Detective Lance Banner von der Polizei Livingston. Würden Sie bitte aufmachen?«
»Wer ist da?«
»Detective Lance Banner. Machen Sie bitte auf.«
»Einen Augenblick.«
Sie warteten. Lance schaute weiter durch das Reliefglas. Jetzt sah er eine verschwommene Gestalt die Treppe herunterkommen. Marsha Hunter, wie er annahm. Sie bewegte sich ebenso zaghaft, wie sie gesprochen hatte. Ein Bolzen wurde zur Seite geschoben, eine Kette gelöst, dann öffnete sich die Tür.
Marsha Hunter hatte einen Bademantel fest um die Hüfte geschnürt. Er war alt und aus Frottee und sah aus, als gehöre er einem Mann. Einen kurzen Moment lang fragte Lance sich, ob sie ihn von ihrem verstorbenen Mann übernommen hatte. Ihre Haare waren zerzaust. Natürlich trug sie kein Make-up, und obwohl Lance sie immer für eine hübsche Frau gehalten hatte, dachte er, dass ein bisschen Schminke nicht geschadet hätte.
Sie blickte erst Lance, dann die beiden Polizisten rechts und links von ihm, dann wieder Lance an. »Was wollen Sie um diese Zeit?«
»Wir suchen Matt Hunter.«
Sie kniff die Augen zusammen.
»Ich kenne Sie.«
Lance sagte nichts.
»Letztes Jahr im Sommer haben Sie die Fußballmannschaft trainiert, in der mein Sohn spielt. Einer Ihrer Jungs ist so alt wie Paul.«
»Ja, Ma’am.«
»Kommen Sie mir nicht mit Ma’am«, sagte sie spitz. »Mein Name ist Marsha Hunter.«
»Ja, ich weiß.«
»Wir sind Nachbarn, ja?« Wieder musterte Marsha die Polizisten in Uniform, bevor sie sich wieder an Lance wandte. »Sie wissen genau, dass ich hier allein mit zwei kleinen Jungs wohne«, sagte sie, »und trotzdem wecken Sie uns wie ein Sturmtrupp?«
»Wir müssen wirklich mit Matt Hunter reden.«
»Mami?«
Lance erkannte den Jungen, der die Treppe herunterkam. Marsha warf Lance einen vorwurfsvollen Blick zu und wandte sich dann an ihren Sohn. »Geh ins Bett, Ethan.«
»Aber Mami …«
»Ich komm gleich zu dir. Jetzt geh wieder ins Bett.« Sie drehte sich wieder zu Lance um. »Es überrascht mich, dass Sie das nicht wissen.«
»Was?«
»Matt wohnt hier nicht«, sagte sie. »Er wohnt in Irvington.«
»Sein Wagen steht in der Einfahrt.«
»Und?«
»Ist er hier?«
Eine andere Frau erschien oben auf der Treppe.
»Wer sind Sie?«, fragte Lance.
»Ich heiße Olivia Hunter.«
»Olivia Hunter. Sind Sie Matt Hunters Frau?«
»Wie bitte?«
Marsha sah ihre Schwägerin an. »Er hat gerade gefragt, warum dein Wagen in der Einfahrt steht.«
»Um diese Zeit?«, sagte Olivia. »Warum will er das wissen?«
»Er sucht Matt.«
Lance Banner sagte: »Wissen Sie, wo Ihr Mann ist, Mrs Hunter?«
Olivia Hunter kam die Treppe herunter. Auch sie ging sehr vorsichtig. Vielleicht war das der Hinweis. Vielleicht war es auch ihre Kleidung. Schließlich war sie angezogen. Sie trug keinen Morgenmantel oder Pyjama. Und das um diese Zeit.
Da stimmte etwas nicht.
Als Lance sich wieder an Marsha Hunter wandte, sah er es. Ein kurzes, verräterisches Zucken in ihrem Gesicht. Verdammt,
wie hatte er nur so dumm sein können. Das spät eingeschaltete Licht, die bedächtigen Schritte auf der Treppe und auch jetzt … das hatte alles viel zu lange gedauert.
Er fuhr herum zu den Streifenpolizisten. »Sucht hinten im Garten. Schnell.«
»Warten Sie«, rief Olivia zu laut. »Was wollen Ihre Männer hinten im Garten?«
Die Polizisten rannten los. Einer nach rechts, einer nach links. Lance sah Marsha an. Sie starrte trotzig zurück.
Da hörten sie die Frau schreien.
»Was ist los?«, fragte Olivia.
»Das war Midlife«, sagte Matt. »Charles Talley und Max Darrow sind tot.«
»Oh mein Gott.«
»Und wenn ich mich nicht sehr täusche«, fuhr er fort und deutete auf das Fenster, »sind die hier, um mich wegen Doppelmords festzunehmen.«
Olivia schloss die Augen und versuchte, den Schock zu verarbeiten. »Und was willst du jetzt tun?«
»Ich muss hier raus.«
»Du meinst, wir müssen hier raus.«
»Nein.«
»Ich gehe mit dir, Matt.«
»Dich suchen sie nicht. Sie haben nichts gegen dich in der Hand. Schlimmstenfalls glauben sie,
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