Kein Friede den Toten
zusammen gesehen. Und sie mit dir.«
»Dann weißt du’s ja.«
Sie seufzte. »Sag mir noch mal das Kennzeichen.«
Er wiederholte es noch einmal, und jetzt schrieb Cingle es auf.
»Sollte nicht länger als eine Stunde dauern. Ich ruf dich auf dem Handy an.«
»Danke.« Er ging zur Tür.
»Matt?«
Er drehte sich zu ihr um.
»Ich hab ein bisschen Erfahrung in solchen Sachen.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Diese Tür zu öffnen«, sagte Cingle und hielt den Zettel mit dem Kennzeichen hoch, »ist ein bisschen so, als wolltest du einen Streit schlichten. Wenn du dich einmischst, hast du keine Ahnung, was im Endeffekt rauskommt.«
»Mensch, Cingle, das ist jetzt echt subtil von dir.«
Sie breitete die Arme aus. »Mit Subtilität war’s für mich vorbei, als die Pubertät anfing.«
»Tu’s einfach für mich, ja?«
»Mach ich.«
»Danke.«
»Aber …«, sie hob den Zeigefinger, » … solltest du hinterher das Bedürfnis verspüren, die Angelegenheit weiterzuverfolgen, musst du mir versprechen, dass du dir von mir helfen lässt.«
»Ich mach nicht weiter«, sagte er, und ihre Miene verriet ihm sofort, wie unglaubwürdig sie seine Aussage fand.
Matt war gerade an der Stadtgrenze seiner Heimatstadt Livingston, als sein Handy wieder klingelte. Endlich rief Jamie Suh, Olivias Assistentin, zurück. »Entschuldigen Sie, Matt, aber ich finde keine Hoteladresse.«
»Wie kann denn das sein?«, fauchte er, ohne nachzudenken.
Es entstand eine zu lange Pause.
Er versuchte, einen Rückzieher zu machen. »Aber normalerweise hinterlässt sie doch eine? Für Notfälle oder so.«
»Sie hat ihr Handy dabei.«
Er wusste nicht, was er sagen sollte.
»Und meistens«, sagte Jamie, »buche ich das Hotel für sie.«
»Diesmal nicht?«
»Nein.« Dann ergänzte sie schnell. »So ungewöhnlich ist das auch wieder nicht. Wenn’s sich gerade ergibt, macht sie das manchmal auch selbst.«
Er wusste nicht, was er davon halten sollte. »Hat sie sich heute bei Ihnen gemeldet?«
»Heute Morgen hatte sie angerufen.«
»Hat sie gesagt, was sie noch vorhat?«
Wieder entstand eine Pause. Matt wusste, dass sein Verhalten den Rahmen normaler, partnerschaftlicher Neugier überschritt, aber dieses Risiko musste er eingehen.
»Sie hat nur gesagt, dass sie mehrere Termine hat. Sonst nichts.«
»Okay. Falls sie noch mal anruft …«
»Sag ich ihr, dass Sie sie suchen.«
Dann legte Jamie auf.
Wieder überkam ihn eine Erinnerung. Er hatte einen heftigen Streit mit Olivia gehabt, eine dieser haltlosen Auseinandersetzungen, bei der man weiß, dass man im Unrecht ist, und trotzdem nicht aufhören kann. Sie war heulend aus dem Haus gelaufen und hatte sich zwei Tage lang nicht gemeldet. Zwei ganze Tage. Wenn er bei ihr angerufen hatte, war sie nicht ans Telefon gegangen. Das hatte ihm fast das Herz gebrochen. Er hatte sie gesucht, sie aber nicht gefunden. Daran musste er jetzt denken. Der Gedanke, dass sie vielleicht nie wieder zurückkam, tat ihm so weh, dass er kaum Luft bekam.
Als er am Haus ankam, war der Sachverständige gerade dabei,
den Bericht fertig zu stellen. Vor neun Jahren war Matt aus dem Gefängnis entlassen worden, in dem er vier Jahre lang gesessen hatte, weil er einen Menschen getötet hatte. Und jetzt, so unglaublich das auch klingen mochte, stand er kurz davor, sich zusammen mit der Frau, die er liebte, ein Haus zu kaufen und ein Kind großzuziehen.
Er schüttelte den Kopf.
Das Haus war Teil einer 1965 entstandenen Vorortsiedlung. Wie der größte Teil Livingstons war auch dieses Gebiet früher Farmland gewesen. Die Häuser sahen fast identisch aus, aber falls Olivia daran Anstoß nahm, hatte sie es gut verheimlicht. Sie hatte das Haus mit fast religiöser Inbrunst betrachtet und geflüstert: »Es ist perfekt.« Ihre Begeisterung hatte alle Zweifel beiseite gewischt, die Matt in Bezug auf die Rückkehr nach Livingston noch gehegt hatte.
Matt stand im Vorgarten und überlegte, wie es wohl sein würde, hier zu leben. Der Gedanke verunsicherte ihn. Er gehörte nicht mehr hierher. Das war ihm klar gewesen, bis, na ja, Olivia in sein Leben getreten war. Jetzt war er drauf und dran, wieder hierher zurückzukehren.
Hinter ihm hielt ein Streifenwagen. Zwei Männer stiegen aus. Der erste trug Uniform. Er war jung und durchtrainiert. Er schaute Matt mit dem typischen, misstrauischen Polizistenblick an. Der zweite Mann war in Zivil.
»Hey, Matt«, rief der Mann im braunen Anzug. »Lange nicht gesehen.«
Es war
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