Kein Friede den Toten
entfernt befanden sich die Geschäftsräume von MVD – Most Valuable Detection, eine große Privatdetektei, der auch Carter Sturgis den Großteil ihrer Aufträge gab. Im Allgemeinen war Matt kein Freund von Privatdetektiven. In Kriminalromanen und Filmen waren das meist ziemlich coole Burschen. In Wirklichkeit waren es bestenfalls Polizisten im Ruhestand (mit der Betonung auf Ruhe), schlimmstenfalls Typen, die es nicht geschafft hatten, Polizisten zu werden, also der gefährlichen Gattung der »Möchtegern-Cops« angehörten. Matt hatte diverse Möchtegern-Cops in Form von Gefängniswärtern aus nächster Nähe erlebt. Persönliches Versagen und eingebildeter Testosteronüberschuss hatte unterschiedliche, fast immer jedoch hässliche Folgen.
Matt saß im Büro einer der Ausnahmen von seiner Regel – der reizenden und umstrittenen Ms Cingle Shaker. Matt glaubte nicht, dass das ihr echter Name war, als Detektivin nannte sie sich jedoch so. Cingle war gut ein Meter achtzig groß, hatte blaue Augen und honigfarbenes Haar. Ihr Gesicht war ziemlich hübsch. Ihr Körper löste Herzrhythmusstörungen aus – in ihrer Nähe kam jedweder Straßenverkehr zum Erliegen. Selbst Olivia hatte »wow« gesagt, als sie ihr begegnet war. Es gab Gerüchte, Cingle sei eine der Rockettes der Radio City Music Hall gewesen, die anderen Mädchen hätten sich aber beschwert, sie störe die »Symmetrie«. Matt hatte diesbezüglich keinerlei Zweifel.
Cingle hatte die Füße auf den Schreibtisch gelegt. Die Cowboystiefel
machten sie noch fünf Zentimeter größer, und die dunklen Jeans saßen wie Leggings. Dazu trug sie einen schwarzen Rollkragenpullover, den einige Frauen vielleicht als hauteng bezeichnet hätten, mit dem sie sich aber zu Recht eine Vorladung wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses hätte einhandeln können.
»Der Wagen war aus New Jersey«, erklärte Matt zum dritten Mal. »Das Kennzeichen lautete MLH-472.«
Cingle hatte sich nicht bewegt. Sie hatte das Kinn in ein aus Daumen und Zeigefinger geformtes L gestützt. Sie starrte ihn an.
»Was ist?«, fragt Matt.
»Welchem Mandanten soll ich das in Rechnung stellen?«
»Keinem«, sagte er. »Ich zahl das.«
»Dann ist es für dich.«
»Ja.«
»Hm«, Cingle stellte die Füße auf den Boden, streckte den Rücken und lächelte. »Es ist also privat.«
»Mann«, sagte Matt, »du bist echt verdammt gut. Ich sag dir, dass du mir das in Rechnung stellen sollst, dass es für mich ist, und zack, schon ist dir klar, dass es privat ist.«
»Jahrelange Erfahrung als Detektiv, Hunter. Lass dich nicht davon einschüchtern.«
Matt versuchte, sich ein Lächeln abzuringen.
Sie blickte ihn weiter an. »Willst du eine der zehn Regeln aus dem Cingle-Shaker-Handbuch für Ermittler hören?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Regel Nummer sechs: Wenn ein Mann Sie bittet, aus privaten Gründen ein Autokennzeichen zu überprüfen, kann es nur zwei Gründe dafür geben. Erstens …«, Cingle hob einen Finger, » … er glaubt, seine Frau betrügt ihn, und will wissen, mit wem.«
»Und zweitens?«
»Es gibt kein zweitens. Ich hab gelogen. Es gibt nur die eine Möglichkeit.«
»Das ist es nicht.«
Cingle schüttelte den Kopf.
»Was ist?«
»Exknackis sind normalerweise bessere Lügner.«
Dazu sagte er nichts.
»Okay, nehmen wir einfach mal an, ich glaube dir. Dann sag mir doch bitte, warum ich das überprüfen soll?«
»Es ist privat. Erinnerst du dich? Rechnung an mich, für mich – privat.«
Cingle stand auf, wuchs immer weiter in die Höhe und stemmte die Hände in die Hüften. Sie blickte finster auf ihn herab. Anders als Olivia sagte Matt nicht laut »wow«, dachte es aber vielleicht.
»Stell dir vor, ich bin eine Art Beichtvater«, sagte sie. »Es erleichtert die Seele, wenn man darüber spricht.«
»Ja«, sagte Matt. »Religion. Das ist das Erste, was einem dabei in den Sinn kommt.« Er setzte sich gerade hin. »Machst du das für mich?«
»Okeydokey.« Sie starrte ihn noch einen Moment lang an. Matt wich ihrem Blick nicht aus. Cingle setzte sich und legte die Füße wieder auf den Schreibtisch. »Wenn ich aufstehe und dabei die Hände in die Hüften stemme, werden die meisten Männer schwach«, sagte sie versonnen.
»Ich bin hart wie Stein.«
»Ganz genau, das gehört auch dazu.«
»Ha, ha.«
Sie sah ihn wieder neugierig an. »Du liebst Olivia, stimmt’s?«
»Dazu will ich jetzt nichts sagen, Cingle.«
»Du brauchst nicht zu antworten. Ich habe dich mit ihr
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