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Kein Friede den Toten

Kein Friede den Toten

Titel: Kein Friede den Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Standpunkt eines Erwachsenen aus betrachtet ziemlich komisch war, dann nutzte er sein durch Plädoyers und Kreuzverhöre geschultes Verhandlungsgeschick und überredete die
Jungs, ins Bett zu gehen. Ethan hatte Angst vor der Dunkelheit, so dass Matt das SpongeBob-Nachtlicht anstellte.
    Er sah auf die Uhr. Halb neun. Er hatte nichts dagegen, noch länger zu bleiben, aber langsam fing er an, sich Sorgen zu machen.
    Er ging in die Küche. Pauls und Ethans neueste Kunstwerke waren mit Magneten am Kühlschrank befestigt. Daneben hingen auch Fotos in Acrylrahmen, die anscheinend nie richtig schlossen. Die meisten Fotos waren halb herausgerutscht. Matt schob sie sorgfältig wieder an ihren Platz.
    Oben am Kühlschrank, so hoch, dass die Kinder sie nicht berühren (oder nicht sehen?) konnten, hingen Fotos von Bernie. Matt blieb stehen und betrachtete seinen Bruder. Nach einer Weile wandte er sich ab und griff zum Küchentelefon. Er wählte Marshas Handynummer.
    Marsha hatte die Nummer offenbar auf dem Display gesehen und meldete sich: »Matt? Ich wollte dich gerade anrufen.«
    »Hey.«
    »Seid ihr im Haus?«
    »Sind wir. Die Jungs sind gebadet und liegen im Bett.«
    »Wow, du bist aber gut.«
    »Danke.«
    »Nein, ich danke dir.«
    Einen Moment lang sagte keiner etwas.
    Matt fragte: »Soll ich noch ein bisschen bleiben?«
    »Wenn es dir nichts ausmacht.«
    »Kein Problem. Olivia ist noch in Boston.«
    »Danke«, sagte sie, klang aber irgendwie seltsam.
    Er nahm das Handy in die andere Hand. »Äh, was glaubst du denn, wann du nach Haus …«
    »Matt?«
    »Ja.«
    »Ich hab dich vorhin belogen.«

    Er sagte nichts.
    »Ich bin nicht auf einer Schulkonferenz.«
    Er wartete.
    »Ich habe ein Date.«
    Da er nicht wusste, was er sonst sagen sollte, hielt er sich an das immer passende »Oh«.
    »Ich hätte dir das gleich sagen sollen.« Sie senkte die Stimme. »Und es ist nicht mal das erste.«
    Er betrachtete das Foto seines Bruders am Kühlschrank. »Mhm.«
    »Ich treffe mich mit einem Mann. Schon seit zwei Monaten. Die Jungs wissen natürlich nichts davon.«
    »Du bist mir keine Erklärung schuldig.«
    »Doch, Matt. Doch, das bin ich.«
    Er sagte nichts.
    »Matt?«
    »Ja, ich bin noch da.«
    »Hättest du was dagegen, über Nacht zu bleiben?«
    Er schloss die Augen. »Nein«, sagte er. »Nein, ich hab absolut nichts dagegen.«
    »Wenn die Jungs aufwachen, bin ich wieder da.«
    »Okay.«
    Dann hörte er ein Schluchzen. Sie weinte.
    »Das ist in Ordnung, Marsha.«
    »Wirklich?«
    »Ja«, sagte er. »Wir sehen uns morgen früh.«
    »Ich liebe dich, Matt.«
    »Ich liebe dich auch.«
    Er legte auf. Gut. Marsha hatte eine Verabredung. Sehr gut. Trotzdem wanderte sein Blick wieder zurück zum Foto seines Bruders am Kühlschrank. Der Gedanke mochte absolut unfair und unangemessen sein, aber es änderte nichts an Matts Gefühl, sein Bruder wäre noch nie so weit weg gewesen.

11
    Jeder schien irgendwann einmal diesen Alptraum gehabt zu haben, in dem man eine Abschlussprüfung zu einem Thema ablegen muss, mit dem man sich das ganze Semester nicht beschäftigt hat. Matt hatte ihn noch nie gehabt. Er träumte in vergleichbaren Situationen, er säße wieder im Gefängnis. Er wusste nicht, wie er da wieder reingekommen war. Er konnte sich nicht an ein Verbrechen oder eine Gerichtsverhandlung erinnern, sondern nur daran, dass er irgendetwas falsch gemacht hatte und dieses Mal nicht wieder rauskommen würde.
    Beim Aufwachen war er immer vollkommen durchgeschwitzt. Er zitterte vor Angst und hatte Tränen in den Augen.
    Olivia hatte sich daran gewöhnt. Sie nahm ihn in die Arme und flüsterte, dass alles in Ordnung sei und ihm niemand etwas tun könne. Sie hatte auch manchmal Alpträume, schien aber nie solchen Trost zu brauchen oder gar zu erwarten.
    Er schlief auf der Wohnzimmercouch. Oben im Gästezimmer stand ein ausziehbares französisches Bett, das ihm aber oft zu groß vorkam, um alleine darin zu schlafen. Jetzt starrte er in die Dunkelheit. Er hatte sich nicht mehr so einsam gefühlt, seit Olivia das erste Mal sein Büro betreten hatte. Er fürchtete sich vor dem Einschlafen. Er hielt die Augen offen. Um vier Uhr morgens fuhr Marshas Wagen in die Einfahrt.
    Als er hörte, wie der Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde, schloss er die Augen und stellte sich schlafend. Marsha schlich zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Sie roch nach Shampoo und Seife. Sie hatte noch geduscht. Er fragte sich, ob sie allein geduscht hatte. Er fragte

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